Bundesarbeitsminister Hubertus Heil bringt die Wirtschaftsverbände gegen sich auf, weil der Sozialdemokrat eine „deutliche Steigerung“ des gesetzlichen Mindestlohns vorhersagt. Die alte Debatte ist im Nu wieder da.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Wie unabhängig ist die Mindestlohnkommission? Mit Äußerungen zur gesetzlichen Lohnuntergrenze hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) aus Sicht seiner Kritiker den Eindruck erweckt, das Gremium sei vor allem dazu da, eine – wie er erwartet – „deutliche Steigerung“ des Mindestlohns zu beschließen. Dabei ist dieser erst im Oktober von 10,45 auf zwölf Euro angehoben worden – ein Sprung, mit dem Wirtschaftsverbände nur mühsam ihren Frieden gemacht haben.

 

„Als Regierungsmitglied in Lohndebatten eingemischt“

So ist deren Aufregung darüber wenig erstaunlich. „Heil macht zum wiederholten Mal einen Vorstoß, mit dem er sich an den Tarifparteien vorbei als Regierungsmitglied in Lohndebatten einmischt – das ist unsäglich“, empört sich etwa Oliver Barta, der neue Hauptgeschäftsführer von Südwestmetall. „Heil verkennt damit wieder einmal eine in Deutschland historisch gewachsene Trennung zwischen den Entscheidungen der Sozialpartner und der Bundesregierung.“ Kanzler Olaf Scholz müsse seinen Minister dringend ermahnen, „damit dieser die Sozialpartner nicht länger düpiert“. Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und der Gewerkschaften träfen in der Kommission einvernehmliche Entscheidungen. „Heil möchte offenbar bewusst den Eindruck erwecken, ein Regierungsmitglied müsse das Thema an sich ziehen“, moniert Barta.

Ähnlich äußerte sich Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des Maschinenbauverbandes VDMA: Damit würde die Kommission „zum zweiten Mal ausgehebelt – die Grenze zu einer staatlichen Lohnfestsetzung wäre endgültig überschritten“, sagte er. Heil hatte vor allem mit der Inflation und den jüngsten Tariferhöhungen argumentiert.

In der Kritik der „politischen Lohnfindung“ bestätigt

Das neunköpfige Gremium mit je drei Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften, zwei Wissenschaftlern und der Vorsitzenden (Arbeitsmarktexpertin Christiane Schönefeld) legt alle zwei Jahre bis zum 30. Juni einen Bericht vor und gibt eine Empfehlung für die Lohnuntergrenze in den folgenden beiden Jahren ab. Dabei orientiert sich die Kommission an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und nachlaufend an der Tarifentwicklung.

Frühestens kann der Mindestlohn zum 1. Januar 2024 weiter steigen. Die drastische Anhebung auf zwölf Euro hatte die Bundesregierung seinerzeit als einmaligen Eingriff gerechtfertigt – nun sehen sich die damaligen Gegner in ihrer Einschätzung einer politischen Lohnfindung bestätigt.