Ein großer ARD-Dokumentarfilm beleuchtet Licht und Schatten eines Fußball-Idols: „Beckenbauer“.

Mark Twain kommentierte einst einen verfrüht erschienenen Nachruf so: „Die Nachricht von meinem Tod ist stark übertrieben.“ Dem 78-jährigen Franz Beckenbauer mag angesichts dieses Dokumentarfilms Ähnliches durch den Kopf gehen: Das eineinhalbstündige Porträt wirkt wie ein Gedenkwerk, selbst wenn Philipp Grüll und Christoph Nahr gegen die Konvention verstoßen, nichts Schlechtes über Tote zu sagen. Sorgfältig rekonstruieren die Autoren das Leben jenes Mannes, der die Fans polarisiert hat wie kaum ein anderer, weil er das Schwere leicht wirken ließ: Bei Beckenbauer war Fußball Kunst, nicht Arbeit.

 

Plötzlich wurden Fußballer zu Popstars

Natürlich lag es nicht nur an ihm, dass die Sportart in den siebziger Jahren ihr proletarisches Image verlor und nun auch Schöngeister entzückte, was den Proletariern prompt missfiel: Plötzlich wurden prominente Fußballer wie Beckenbauer und Günter Netzer zu Popstars. Der Mann, den sie „Kaiser“ nannten, versilberte seinen Ruhm mit Werbung und Schlagern. Mit ihm begann die Kommerzialisierung des Fußballs. Diesen Bogen schlagen Grüll und Nahr allerdings nicht, sie begnügen sich mit seinem phänomenalen Aufstieg, dem schließlich ein fulminanter Absturz folgte: „‚Hosianna‘ und ‚Kreuziget ihn‘“, kommentiert Joschka Fischer die unsympathische Eigenart der Deutschen, ihren Zeitgenossen erst ein Denkmal zu errichten, um sie später lustvoll vom Sockel zu stürzen.

Im ersten Akt reihen die Autoren mithilfe von Weggefährten wie Netzer, Paul Breitner und Sepp Maier einen Erfolg an den anderen. Zwar kommen in diesem Teil des Films neben Fischer auch Wolfgang Schäuble und Otto Schily zu Wort, aber als Fans, die von Beckenbauers Eleganz am Ball schwärmen. Ein erster Schatten fiel auf die „Lichtgestalt“, als die Boulevardpresse Ende der Siebziger eine Affäre des Familienvaters enthüllte und Beckenbauer als Steuerhinterzieher am Pranger stand; es folgte die Flucht nach New York.

Charme und Charisma

Der zweite Akt befasst sich mit der Zeit nach dem Ende der aktiven Karriere: Beckenbauer gelang das seltene Kunststück, als Spieler (1974) wie auch als Trainer Weltmeister (1990) zu werden. Als er mit enormem persönlichem Einsatz sowie dank der ihm eigenen Mischung aus Charme und Charisma die WM 2006 nach Deutschland holte, galt er endgültig als Sonntagskind, das es aus den Trümmern eines zerstörten Nachkriegslandes mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit bis ganz nach oben geschafft und seinen Landsleuten ein „Sommermärchen“ geschenkt hat.

Vom Star zum Gesicht der Korruption

Doch dann wandelt sich das Stück im letzten Akt zur Tragödie: Als sich rausstellte, dass bei der Bewerbung um die WM auch Geld im Spiel war, wurde Beckenbauer zum Gesicht der Korruption. Mit dem Tod seines Sohnes Stephan erlebte er einen schweren Schicksalsschlag, es folgten erhebliche gesundheitliche Probleme.

All dies ist natürlich bekannt, es lässt sich nachlesen in diversen Biografien, weshalb der Film im Grunde keinen Mehrwert hat. Sehenswert ist er dennoch, auch wenn die Autoren seltsamerweise abgesehen von den Frauen an Beckenbauers Seite sowie einer New Yorker Journalistin ausschließlich mit Männern gesprochen haben.

Beckenbauer: Montag, 8. Januar, 20.15 Uhr, ARD