Seit Jahren demonstrieren Abtreibungsgegner vor Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen oder dazu beraten – auch in Baden-Württemberg. Frauenministerin Lisa Paus hat nun einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Betroffene besser schützen soll.

Ludwigsburg : Anna-Sophie Kächele (ask)

Demonstrieren ist ein Grundrecht in Deutschland. Jede und jeder darf sich friedlich versammeln und seine Meinung innerhalb des gesetzlichen Rahmens äußern. Doch wie weit reicht dieses Grundrecht? Was passiert, wenn sich Abtreibungsgegnerinnen und -gegner vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, versammeln und Schwangere belästigen?

 

Um Betroffene zu schützen, hat das Bundeskabinett nun einen Gesetzesentwurf beschlossen. Mit dem Gesetz würden verschiedene Formen von Belästigung verboten und mit einem Bußgeld bis zu 5000 Euro geahndet werden. Im Südwesten wird der Vorstoß von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) unterschiedlich aufgenommen.

Nächste Mahnwache in Stuttgart soll im Februar stattfinden

Der baden-württembergische Sozialminister Manne Lucha (Grüne ) begrüßt die Gesetzesinitiative der Bundesregierung. „Als Land haben wir den gesetzlichen Auftrag, ein ausreichendes Angebot an Schwangerschaftsberatungsstellen und an Einrichtungen sicherzustellen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Es ist wichtig klarzustellen, dass auch der ungehinderte Zugang zu diesen Einrichtungen zu gewährleisten ist.“ Der Gesetzentwurf biete auch eine bundesweite Rechtsgrundlage dafür, dass auch das dort arbeitende Personal wirksamer geschützt werden könne.

In Baden-Württemberg haben sich in den vergangenen Jahren mehrfach Abtreibungsgegner versammelt, um gegen Schwangerschaftsabbrüche zu demonstrieren. Besonders betroffen sind Beratungsstellen in Pforzheim, aber auch in Stuttgart haben 2022 und 2023 Anhänger der „40 Days for Life“-Bewegung, eine christlich-fundamentalistischen Organisation aus den USA, 40 Tage lang mit Plakaten vor einem OP-Zentrum gesungen und gebetet. Die nächste Mahnwache in Stuttgart soll schon im Februar stattfinden.

„Es geht hier um die Beeinflussung von Frauen“

Gudrun Christ von Pro Familia Baden-Württemberg bezeichnet den Gesetzesentwurf als „längst überfällig“. Sie beobachtet seit 2018 eine Zunahme der Demonstrationen. Sie seien ein riesiges Problem. „Es geht hier um die Beeinflussung von Frauen und darum, dass ihnen der sichere Rahmen für eine Beratung und ihre eigene Entscheidung für oder gegen die Mutterschaft genommen wird“, sagt Christ. Manche Frauen würden das Beratungsangebot aufgrund der Demonstrationen gar nicht nutzen oder unter Druck geraten. Wer eine Schwangerschaft abbrechen will, muss sich bis zur 12. Schwangerschaftswoche beraten lassen.

Auch die Justizministerin Marion Gentges (CDU) sieht die Gefahr, dass der Spießrutenlauf vor den Praxen und Kliniken betroffene Frauen abhält, sich beraten zu lassen. Doch bei dem Gesetz müssten zwei Grundrechte gegeneinander abgewägt werden, dieser Prozess sei schwierig: „Wir haben auf der einen Seite die Beratung zum Schutz der betroffenen Frauen und ihrer ungeborenen Kinder und wir wollen, dass die Beratung in Anspruch genommen wird. Auf der anderen Seite ist die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit ein hohes Gut.“

Nur 14 Kliniken in Baden-Württemberg führen Abbrüche durch

Ein weiteres Problem für Schwangere: Die geringe Zahl von Medizinern, die Abbrüche machen. Offizielle Zahlen gibt es nicht, nach Recherchen von Pro Familie führen in Baden-Württemberg jedoch nur 14 Kliniken Schwangerschaftsabbrüche nach der Beratungsregel durch.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung führt zwar eine Liste, es gibt jedoch keine Pflicht sich dort einzutragen. „Aus Sorge, dass auch sie Ziel solcher Abtreibungsgegner werden, tragen sich manche Praxen und Kliniken gar nicht in die öffentliche Liste ein. Dabei sehen wir, dass Frauen, die sich im Voraus informieren konnten, mit weniger Falschinformationen in die Beratung kommen“, sagt Gertrud Höld, Bereichsleiterin der Schwangerenberatung der eva Stuttgart. Auch ihre Sozialeinrichtung begrüßt den Gesetzesentwurf. Frauen seien in einer sensiblen Situation, diese Form der Demonstrationen baue nur Druck auf. „An dieser Stelle müssen beim Demonstrationsrecht Abstriche in Kauf genommen werden.“

Schwangerschaftsabbrüche

Gesetzeslage
Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland straffrei nach der Beratungsregel, bei einer Gefährdung für die Gesundheit der Frau oder wenn die Schwangerschaft auf einer Straftat beruht.

Beratungsregel
Seit der Befruchtung dürfen nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sein, Schwangere haben die gesetzlich vorgeschriebene Beratung gemacht, der Abbruch erfolgt frühestens am vierten Tag nach Abschluss der Beratung und wird von einer Ärztin oder einem Arzt durchgeführt.