Britta Steffen greift noch einmal an. Dazu hat die Schwimm-Olympiasiegerin von 2008 auch ihr Verhältnis zu Paul Biedermann auf neue Beine gestellt.

Auf dem Nachtschränkchen von Britta Steffen liegt zurzeit „Das Ende ist mein Anfang“ von Tiziano Terzani. In dem Buch führt der 2004 verstorbene Asien-Korrespondent und Schriftsteller ein langes Zwiegespräch mit seinem Sohn, in dem es um Abschied nehmen, um Leben und Tod, um Hoffnung und Wiederkehr geht. Themen, die im Leben der 28-jährigen Freistilschwimmerin eine ganz aktuelle Rolle spielen. „Ein toller Journalist, der in der Welt unterwegs war“, sagt Steffen über Terzani und fügt hinzu: „Wenn der bestimmte Sachen beschreibt, erkenne ich mich manchmal wieder.“

 

Und die Doppel-Olympiasiegerin von 2008, die am Wochenende beim Kurzbahnweltcup in Berlin startet, ringt in diesen Monaten eifrig um Erkenntnisse. So entschloss sie sich gerade, die Hauptstadt und damit auch ihren langjährigen Heimtrainer Norbert Warnatzsch zu verlassen – um in Halle die Alltagstauglichkeit ihrer Beziehung mit Paul Biedermann zu testen. Wie stark dieses Bedürfnis war, merkte Steffen Anfang des Monats auf der Arabischen Halbinsel. Zum ersten Mal überhaupt macht die Frau, die bei den Olympischen Spielen im Sommer in London schon das Ende ihrer Karriere gekommen sah, den Kurzbahnweltcup mit. Und dann gleich das komplette Programm – mit den ersten Stationen in Dubai und Doha.

„Dort“, erzählt Steffen, „hatte ich irgendwann das Gefühl: entweder ich versuche das jetzt noch mal komplett mit ihm, oder das wird sich irgendwann auseinander dividieren.“ Nach zweieinhalb Jahren müssten sie und Biedermann sich richtig zueinander bekennen, findet die Kraulspezialistin, die gesteht, dass Themen wie zusammen zu wohnen oder gemeinsam Kinder zu haben „Sachen sind, die im letzten halben Jahr innerlich oft ein bisschen schwierig waren, da wir gesagt haben: Pass‘ auf, Olympia steht über allem.“

Die Spiele in London wurden für beide zu einer großen Enttäuschung – auch wenn Britta Steffen am Ende zumindest einen positiven Trend erkannte. „Ich habe gemerkt, dass ich mich in den letzten zwei Jahren gut entwickelt habe. Ich hatte in London noch nicht den Standard von 2008 und 2009“, sagt sie – und fragt sich jetzt: „Kann ich das noch einmal erreichen?“ Denn: „Der Aufwärtstrend ist vorhanden. Das schauen sich die Journalisten nur leider nicht so genau an – und viele so genannte Experten auch nicht.“

Ihr selbst jedenfalls wurde recht bald klar, dass sie die große Schwimmbühne nicht so sang- und klanglos verlassen will. Um die, wie sie sagt, „berühmt-berüchtigte“ Wettkampfhärte zu erlangen, die ihr zuletzt fehlte, macht Steffen nun zum Beispiel die stressige Kurzbahn-Tour mit, die im November mit den Stationen Peking, Tokio und Singapur endet. Über ihre guten Zeiten, etwa am vergangenen Wochenende in Stockholm, sei sie dabei schon „richtig baff gewesen“, berichtet Steffen. Und deshalb will sie es sich und vielen im Herbst ihrer Karriere nun noch mal beweisen.

Die EM 2014 in Berlin, bis zu der sie in Halle unter dem Biedermann-Coach Frank Embacher trainieren wird, ist ein festes Ziel, Olympia 2016 in Rio de Janeiro ein mögliches. Jeweils mit besonderem Fokus auf den 50 Metern Freistil statt, wie bisher, auf der doppelten Distanz. „Ich fühle: das ist noch mal sinnvoll – und ich will das jetzt wissen“, sagt Steffen.

Dass sie dabei Norbert Warnatzsch, der sie zuvor noch zum Weitermachen überredet hatte, aus privaten Gründen den Rücken kehren muss, tut ihr in der Seele weh. „Das ist schmerzhaft, aber auch da schafft man es durch“, sagt Steffen, die nach Tiziano Terzani schon die nächste Lektüre ins Auge gefasst hat: die Autobiografie der australischen Schwimm-Ikone Ian Thorpe, der von Selbstmordgedanken in der Hochphase seiner Karriere berichtet und sein sportliches Umfeld wegen dessen kurzfristigem Denken kritisiert. Ihr eigenes Familiennetz nennt Steffen in dem Zusammenhang ein „wahnsinniges Glück“ – und sagt über Thorpe: „Er hat mich schon immer fasziniert. Aber wenn er sagt, dass er seine Probleme selbst vor seinem Umfeld geheim halten musste, habe ich Mitleid – ohne jetzt zu denken: Ach, das arme Würstchen.“ Sondern: „Schade, dass er niemanden hatte, mit dem er darüber sprechen konnte.“