Der Stadtgarten an der heutigen Universität war früher ein sehr beliebtes Ausflugsziel – jeder kannte das Café am See. Eine Ausstellung erinnert an die verschwundene Herrlichkeit.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Wie schön der Stadtgarten an der Universität einmal war, das kann sich heute kaum noch jemand vorstellen, denn fast nichts ist davon übrig geblieben: Vor 100 Jahren gehörten Garten und Gebäude zu den beliebtesten Ausflugszielen Stuttgarts – heute ist der Betonbrunnen mit Sand verfüllt, viele Häuser am Rande sind von zweifelhafter architektonischer Qualität, und sowieso hat man im Laufe der Jahre immer mehr Gartenfläche abgeknapst. Aber halt, nun kann man es sich doch wieder vorstellen: In einer Ausstellung des Instituts für Architekturgeschichte im Foyer der Universitätsbibliothek ist der Zustand vor 1940 anhand von Bildern und Modellen rekonstruiert.

 

Tatsächlich ist der Stadtgarten um das Jahr 1870 fast aus einem Guss entstanden. Denn außer mit dem Katharinenhospital und dem ersten Teil des Königlichen Polytechnikums war das Gelände um die „Seewiesen“ noch kaum bebaut, und nun wollten die Bürger dort einen urbanen Bereich schaffen, mit dem man über die Stadt hinaus renommieren konnte. Die Gestaltung des Gartens, angelehnt an französische Vorbilder, sei „topmodern“ gewesen, sagt Elisabeth Szymczyk, die mit Institutsleiter Klaus Jan Philipp und vor allem mit einer Gruppe von Studierenden die Ausstellung entworfen hat.

Aber auch die Häuser, die den Garten begrenzten, konnten sich sehen lassen – fast alle sind nach 1945 beseitigt worden, weil man einen modernden Universitätscampus anlegen wollte. Die Garnisonskirche (auf dem Foto vorne Mitte) war im Krieg kaum beschädigt worden; dennoch wurde sie abgerissen. Im „Panorama“ von 1889 (links neben Garnisonskirche) war ein 95 Meter langes und zehn Meter hohes Monumentalgemälde zu sehen – bei der Eröffnung verherrlichte man die Schlacht von Villiers-Champigny aus dem 1870er-Krieg. Die Landesgewerbehalle, erbaut 1881 (großes längliches Gebäude links), war der Stolz der Bürger: In der Konstruktion aus Glas, Eisen und Backstein fanden bedeutende Ausstellungen statt, wie die Bauausstellung 1908, bei der bekannte Architekten wie Theodor Fischer moderne Einfamilienhäuser auf Zeit schufen.

Das Weinhaus am See muss sehr idyllisch gewesen sein

Die frühere Baugewerbeschule ist eines von zwei Gebäuden, die erhalten geblieben sind; dort ist heute die Hochschule für Technik untergebracht. Und in einem nicht abgerissenen Flügel des Polytechnikums hat heute das Rektoramt der Universität Stuttgart seinen Sitz (Professor Philipp zeigt mit dem Finger darauf). Zentraler Anlaufpunkt für die Bürger war allerdings das Weinhaus am See (dreigliedriges niedriges Gebäude rechts neben Landesgewerbehalle) mit einer Trinkstube und einem Restaurant.

Aber damit nicht genug: es gab noch das Real-Gymnasium, das später in Dillmann-Gymnasium umbenannt wurde, ein Palmenhaus, viele prächtige Bürgerhäuser und nicht zuletzt das Ausstellungsgebäude des württembergischen Kunstvereins mit einer Fassade voller Giebel und ionischer Säulen. Es wurde erst 1969 abgerissen, weil man ein neues Unigebäude errichten wollte, was aber nie geschah. Bis heute ist dort, neben den Uni-Hochhäusern, nur ein Parkplatz. „Da kann man schon wehmütig werden“, meint denn auch Klaus Jan Philipp.

Die Studierenden haben auch selbst Forschung betrieben

Die angehenden Architekturhistorikerinnen (es waren fast nur Frauen) haben viel Zeit in Archiven und Bibliotheken verbracht, um das Material zusammenzutragen und um das große Modell zu bauen. Dabei förderten sie neue Erkenntnisse zu Tage, zum Beispiel, indem sie den bisher unbekannten Nachlass des Architekten Josef von Egle auswerteten. Zum Garten selbst gebe es ein gutes Buch von Timo John, sagt Philipp – die Bebauung sei dort aber nur teilweise in der Tiefe beschrieben. Das holt die Ausstellung jetzt nach.

Und wann wird der heutige Stadtgarten endlich auf Vordermann gebracht, was seit fast 30 Jahren im Gespräch ist? Vom bisher letzten Entwurf von 2013 hat man in den vergangenen beiden Jahren jedenfalls nichts mehr gehört.

Termin: Die Ausstellung ist noch bis zum 13. Januar im Erdgeschoss der Universitätsbibliothek im Stadtgarten, Holzgartenstraße 16, zu sehen.