Der Cannstatter Bahnhof und die Rosensteinbrücke wurden vor 100 Jahren errichtet. Wer genau hinschaut, kann an beiden Bauwerken Details aus der Bauzeit, Verzierungen und Symbole erkennen.

Bad Cannstatt - Während in der ganzen Stadt die Bauarbeiten für Stuttgart 21 immer augenscheinlicher werden, lässt sich in Bad Cannstatt „das Ergebnis von Stuttgart 20“ begutachten, wie der Historiker Olaf Schulze mit einem Schmunzeln sagt. Die Rosensteinbrücke und der Cannstatter Bahnhof werden in diesem Jahr 100 Jahre alt und bilden eine Linie von drei Gebäudegruppen: „Vom Wilhelmsplatz über den Bahnhof bis zur alten Tunnelmündung unter dem Schloss Rosenstein sind die meisten Gebäude noch im Original erhalten“, sagt Schulze.

 

Einzig zwei Bögen der Eisenbahnbrücke seien neueren Datums. Die beiden mittleren Bögen wurden während des Zweiten Weltkriegs zerstört. Das Bauwerk war zu seiner Zeit eine absolute Neuheit und galt einige Jahre sogar als größte Betonbrücke der Welt. Wer genau hinschaut, erkennt außerdem weitere Besonderheiten: „Dort, wo die Brücke die König-Karl-Straße überspannt, ist sie seitlich verziert“, sagt Schulze. Im Frühjahr seien die Motive schwer zu erkennen, im Herbst, wenn die Blätter fallen, können man die Verzierungen besser bestaunen: „Von Stuttgart kommend ist auf der rechten Seite der Brücke das Steinrelief eines Römers mit einem Cannstatter Wappen zu sehen und links das Stuttgarter Rössle.“ Von Bad Cannstatt aus kommend ziere das württembergische Wappen die Brücke. „Symbolisch stehen die Reliefs für die Verbindung zwischen Stuttgart und Bad Cannstatt und für Cannstatt als römische Siedlung“, sagt Schulze. Er bedauert, dass der Steinschmuck zugewachsen ist.

Einer der ältesten Bahnhöfe in Württemberg

Besser erkennen kann man dagegen Details aus der Bauzeit im Bahnhof: „Es gibt dort zum Beispiel noch Kanaldeckel aus den Jahren 1914/15.“ Die Metalltür auf der Rückseite des Bahnhofs markierte den Eingang zum Bahnhofsbunker für Passagiere. Entsprechend seiner Bauzeit sei das Gebäude insgesamt schlicht gehalten, den Haupteingang zierten aber dennoch drei Köpfe: „Zeus, Hermes und Flora stehen für den Wohlstand, den die Eisenbahn nach Bad Cannstatt gebracht hat und dafür, dass das Gewerbe aufblühen soll“, sagt Schulze.

Der Bahnhof Bad Cannstatt ist nach dem Hauptbahnhof der zweitwichtigste und mit acht Gleisen der zweitgrößte Personenbahnhof der Stadt. Mit dem Untertürkheimer Bahnhof ist er außerdem der älteste Bahnhof in Württemberg. Bereits am 5. Oktober 1845, noch bevor Stuttgart durch den Rosensteintunnel an das Schienennetz angeschlossen wurde, fuhr erstmals in Württemberg eine Eisenbahn von Cannstatt nach Untertürkheim. Als mehr Leute begannen, mit der Bahn zu reisen, brauchte es ein neues Empfangsgebäude. Das heutige, von Martin Mayer entworfene Bahnhofsgebäude wurde während des Ersten Weltkriegs errichtet. Im November 1912 wurde die Strecke zum Güterbahnhof Untertürkheim in Betrieb genommen, im November 1915 die neuen Bahnhofsanlagen, einschließlich der benachbarten neuen Neckarbrücke und den ersten beiden Gleisen des neuen Rosensteintunnels.

Brücke soll abgerissen werden

Eine erste Eisenbahnbrücke namens Rosensteinbrücke wurde bereits 1846 in Betrieb genommen. Die neue, viergleisige Rosensteinbrücke wurde ebenfalls vom Architekten Martin Mayer gebaut. Sie ist mehr als 244 Meter lang und hat eine Bogenspannweite von 74 Metern.

Die Brücke soll im Zuge des Projekts Stuttgart 21 durch eine neue Neckarbrücke ersetzt und nach Inbetriebnahme der neuen Bahnanlagen abgerissen werden.