Die Rückkehr des Superstars Dirk Nowitzki ins deutsche Nationalteam elektrisiert die Fans. Der 37-Jährige soll zusammen mit Dennis Schröder bei der Europameisterschaft für eine Überraschung sorgen.

Berlin - Eines hat Dirk Nowitzki schon klargestellt: „Ich werde es nicht schaffen, mir in den nächsten Tagen die Mauer anzuschauen.“ Er ist ja auch nicht auf Urlaub in Berlin – der beste deutsche Basketballer aller Zeiten tut das, was er am besten kann: Basketballspielen.

 

An diesem Samstag beginnt die Europameisterschaft, von der eine Vorrundengruppe in der deutschen Hauptstadt ausgetragen wird. Und für touristische Aktivitäten ist der Zeitplan auch wirklich zu vollgepackt. Denn nach dem Auftaktspiel der Nationalmannschaft gegen Island (15 Uhr/ZDF) in der Arena am Ostbahnhof stehen in den folgenden fünf Tagen vier weitere Partien an. „Da werde ich in der freien Zeit hauptsächlich eines tun: die Füße hochlegen“, sagt Nowitzki.

Mit den Ruhepausen dürfte es allerdings nicht so einfach werden. Der 37-Jährige vom nordamerikanischen NBA-Club Dallas Mavericks ist derzeit natürlich der gefragteste Spieler des deutschen Nationalteams. Und so muss sich der gebürtige Würzburger auch zu zahlreichen Themen äußern, die mit dem Basketballspielen kaum etwas zu tun haben: Neben seinen möglichen Ausflugszielen wurde er außerdem danach gefragt, wie er es findet, dass im Teamhotel die Betten extra für die großen Basketballer auf 2,50 Meter verlängert wurden. Der 2,13 Meter große Nowitzki erzählte geduldig, er brauche die Sonderlänge gar nicht. Ihm reiche es, wenn er die Füße am Bettende rausbaumeln lassen könne. Nowitzki begegnet dem Rummel um ihn also souverän und gelassen.

Schröders Schuhtick

Sein Teamkollege Dennis Schröder, der auf der Liste der gefragten Spieler hinter Nowitzki die Nummer zwei ist, geht mit all dem Interesse noch nicht so entspannt um. Auch der 21-jährige NBA-Profi von den Atlanta Hawks muss derzeit einige Fragen beantworten, die mit dem Basketballspielen nichts zu tun haben. Etwa wie viele Paar Sneaker-Turnschuhe er besitze. Aber außer der durchaus beachtlichen Zahl (200) sagte der gebürtige Braunschweiger nichts dazu. Dabei hätte der Sohn einer gambischen Mutter und eines deutschen Vaters sicherlich einiges zu seinem Schuhtick erzählen können. In puncto „Parlieren zu abseitigen Themen“ kann Schröder also noch etwas lernen von Nowitzki.

Dabei tauschen sich die beiden in diesen Tagen viel aus. Und sie haben ja auch einiges zu bereden, allerdings betrifft das vor allem ihr Miteinander auf dem Feld. Das Zusammenspiel der zwei NBA-Stars funktioniert noch lange nicht. Bisher scheint es, als kommen die beiden besten deutschen Basketballer auf dem Feld noch nicht wirklich zusammen.

Aber das wird entscheidend sein, wenn Deutschland bei der EM das hohe Ziel Olympia-Qualifikation erreichen will. Dazu müsste das Team mindestens Siebter werden. In der starken Vorrundengruppe mit den weiteren Gegnern Spanien, Serbien, Italien und der Türkei wird es jedoch schwer genug, überhaupt unter die besten Vier zu kommen, um in das Achtelfinale einzuziehen.

Umso wichtiger ist es also, dass Nowitzki und Schröder bestens harmonieren. Davon sind sie aber noch weit entfernt. Zum einen, weil Nowitzki generell noch seine Form und seinen Rhythmus sucht. In den sieben Vorbereitungsspielen, die er in den vergangenen drei Wochen mit dem Nationalteam bestritten hat, konnte er nur selten überzeugen. Besonders seine wenig berauschende Trefferquote nervt ihn. Auch im letzten Test gegen Frankreich am vergangenen Sonntag traf Nowitzki nur fünf von 15 Versuchen – und kam auf magere zehn Punkte. „Ich bin nicht mehr so drauf wie vor zehn Jahren“, sagt er selbst ganz offen.

Nowitzkis zeigt auch Schwächen

Nowitzki ist einer der besten Basketballspieler der Welt, unbestritten der beste Europäer, der diesen Sport jemals ausgeübt hat – in der NBA gehört er mit mehr als 28 000 erzielten Punkten zu den sieben besten Korbjägern aller Zeiten. Aber mittlerweile wird auch deutlich: vor allem in der Defensive ist er meist einfach zu langsam, was bei einem 37-Jährigen allerdings auch kein Wunder ist. Doch die Gegner wissen das und gehen in ihren Angriffen oft über Nowitzki.

Schröder hingegen hadert öfter mit seinen Mitspielern als mit sich selbst. Der wendige, nur 1,85 Meter große Aufbauspieler strotzt nach seiner hervorragenden NBA-Saison vor Selbstvertrauen. Gegen Frankreich war er wieder der beste deutsche Werfer, ihm gelangen 16 Punkte. Immer wieder durchbricht er mit seinen schnellen Antritten und Dribblings die gegnerischen Abwehrreihen. Doch mit seinen Anspielversuchen auf die Teamkollegen ist Schröder oft sogar zu schnell. Zuletzt gab es einige Szenen, in denen die Mitspieler seine überraschenden Pässe einfach nicht zu fassen bekamen. Mit diesem Wissen entscheidet sich Schröder zu oft dafür, nicht abzuspielen. Stattdessen zieht er allein zum Korb, Punkte gelingen ihm damit aber ebenfalls nicht immer.

Weil Schröder bisher auch Nowitzki zu selten einbindet, konnte die deutsche Nationalmannschaft ihre größten Trümpfe noch nicht ausspielen – und das sind nun einmal Nowitzki und Schröder. „Wir müssen uns noch finden“, sagt Schröder. „Das ist aber schwierig, da hilft eigentlich nur trainieren, trainieren, trainieren.“

Ganz unterschiedliche Charaktere

Beide schätzen sich sehr. Nowitzki lobt Schröders rasante Entwicklung. Und Schröder nennt es eine Ehre, gemeinsam mit ihm, mit seinem Vorbild, zu spielen. Den 16 Jahre Jüngeren jedoch als den neuen Nowitzki darzustellen, wäre falsch. Dafür unterscheiden sich beide zu sehr. Auf dem Spielfeld, und vom Typ her. Nowitzki schert sich wenig um Äußerlichkeiten. Er hat keine Tätowierungen und trägt keine glitzernden Ringe oder Ketten. Schröder hingegen legt Wert auf eine gewisse Extravaganz. Er ist tätowiert und hat sein schwarzes Haar am linken Scheitel extra blond gefärbt.

Auch wenn es darum geht, warum sie mit der deutschen Nationalmannschaft spielen, geben die zwei NBA-Stars sehr unterschiedliche Beweggründe an. Nowitzki müsste sich den mit Training vollgepackten Sommer nach der kräftezehrenden Saison eigentlich nicht mehr antun, nach insgesamt 17 Spielzeiten in der NBA und mehr als 1200 Partien. Er hat den wichtigsten Titel im Basketball gewonnen, die NBA-Meisterschaft 2011, er wurde mit zahlreichen individuellen Auszeichnungen überhäuft und ist Multimillionär. Aber er tut es trotzdem. Weil nun, da seine Karriere dem Ende zugeht, noch einmal einiges zusammenkommt. Mit der EM-Vorrunde in Berlin bekommt er so zum ersten Mal die Gelegenheit, vor heimischem Publikum ein großes Turnier zu spielen. Außerdem winkt noch ein letztes besonderes Ziel: Nowitzki kann über die Europameisterschaft noch einmal die Olympischen Spiele erreichen.

Vor sieben Jahren in Peking war er mit dem deutschen Team schon dabei – neben dem NBA-Titel beschreibt er das stets als die schönste Erfahrung seiner Karriere. Das möchte er im nächsten Jahr noch einmal erleben, in Rio de Janeiro. „Ich möchte dieses Erlebnis meinen Teamkollegen auch ermöglichen“, sagt er. Überhaupt scheinen Allüren Nowitzki völlig fremd. Den Star lässt er nie raushängen. Er sieht sich als absoluten Teamspieler – und so verhält er sich auch. „Ich bin so ein bisschen der Opa im Team“, sagt er und grinst. „Aber ich verhalte mich meistens ja nicht wie 37, ich bin ja ein lockerer Typ.“

Der Bundestrainer ist von dem Duo überzeugt

Schröder führt da ganz andere Gründe an. „Wenn ich mit der Nationalmannschaft spiele, werde ich besser“, sagt er. Das habe er besonders in der zurückliegenden Saison gemerkt. Auch im vergangenen Jahr spielte Schröder mit dem DBB-Team und bekam dadurch einen großen Schub für seine zweite Spielzeit in der NBA. Aus dieser starken Saison – Schröder kam mit Atlanta bis in die Halbfinal-Play-offs – leitet er nun auch seine veränderte Rolle in der Nationalmannschaft ab. „Ich bin bereit, der neue Anführer zu sein“, sagt der 21-Jährige.

So ungleich beide sind, der Bundestrainer Chris Fleming gibt sich trotz allem zuversichtlich, dass sie noch besser harmonieren werden. „Es wird nicht alles perfekt sein im Zusammenspiel zwischen Dirk und Dennis“, sagt der US-Amerikaner. „Sie verbessern sich aber ständig.“ Das spürt auch Nowitzki. Und so stellt er für diese EM noch eines klar: „Wir können hier wirklich eine Riesensache erreichen. Gemeinsam.“