Die Schulerweiterung nebst Kindergartenneubau im Gebiet Fuchsloch ist passé. Nach Ansicht der Behörden wären die Kinder durch einen Chemiebetrieb potenziell gefährdet. Jetzt muss der Waldorfverein wohl komplett neu planen.

Vaihingen/Enz - Es geht um einen ziemlich giftigen Stoff: Brom. Das chemische Element hat für den Waldorfschul- und Kindergartenverein nachhaltige Auswirkungen. Seit mehreren Jahren plant der Verein einen größeren Neubau, gleich neben dem Schulgelände im Gebiet Fuchsloch. Dort soll mehr Raum für die Schule, aber auch ein viergruppiger Kindergarten geschaffen werden. Doch die Behörden haben die Pläne verworfen. Weil in rund 200 bis 250 Metern Entfernung ein Chemiebetrieb liegt, der mit Brom arbeitet und die Kinder gefährden könnte.

 

Gutachten fordern unterschiedliche Sicherheitsabstände

Dabei schien zunächst alles glatt zu laufen für das rund 2,3 Millionen Euro teure Projekt. Die Stadt Vaihingen, mit mehr als 1,2 Millionen Euro Hauptfinanzier – hatte ein Gutachten in Auftrag gegeben, um zu klären, wie groß die Gefährdungslage für die Kinder und den Schulbetrieb wäre. Die Fachleute kamen zum Ergebnis, dass alles kein Problem ist, wenn die Neubauten mindestens 200 Meter Abstand zur Firma Connect Chemicals halten. Das hätte nach den ursprünglichen Planungen auch noch hingehauen (siehe Grafik).

Doch dann kam das Regierungspräsidium Stuttgart (RP) ins Spiel. Da das RP ohnehin Genehmigungsbehörde für die städtische Planung ist, wollte sich der Oberbürgermeister Gerd Maisch absichern „und alle strittigen Punkte vorab klären“. Das RP meldete allerdings Zweifel an – und holte sich Rat bei der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW). Die Karlsruher Fachleute kamen allerdings zu einem anderen Ergebnis. Um Gefahren wirklich wirksam auszuschließen, solle der Neubau mindestens 250 Meter Abstand zu dem Chemiebetrieb halten.

Waldorfverein muss neue Pläne entwickeln

Es gehe im Kern „um die besondere Schutzbedürftigkeit von Kleinkindern, die im Gefahrenfall ganz auf die Hilfe von Fürsorgepersonen angewiesen sind“, teilt ein Sprecher des RP mit. Kuriosität am Rande: für die Waldorfschule stellt die Chemie nach behördlicher Lesart keine Gefahr dar – denn bereits bestehende Gebäude werden bei der Analyse nicht berücksichtigt. Erst 2004 wurde das Gesetz verschärft, „heute würde man dort wohl keine Schule mehr bauen“, vermutet Maisch. Im Übrigen arbeite Connect Chemicals heute wesentlich weniger mit Gefahrstoffen als das Vorgängerunternehmen. Doch früher galten noch großzügigere Grenzwerte.

Die Expertise der LUBW bringt die kompletten Pläne des Waldorfvereins ins Wanken. „Wir stehen jetzt wieder am Anfang“, sagt der Geschäftsführer Hartmut Kalus. Wenn möglich, wolle der Verein seine geplante Sporthalle auf dem Gelände bauen – allerdings ohne Zuschüsse von der Stadt Vaihingen, die nur für Kinderbetreuung mitfinanziert. Was den Umzug und die Erweiterung des Kindergartens angeht, der jetzt noch in der Stadtmitte untergebracht ist, hofft der Verein darauf, dass die Stadt ein neues Grundstück dafür findet. Wenn man nur den Kindergarten neben die Schule setze, verbaue man sich damit mögliche Entwicklungen der Schule. Die Lage sei für den Verein allerdings schwer überschaubar. Mit Prognosen, wie es weitergehen könne, sei er „inzwischen sehr vorsichtig geworden“, sagt Hartmut Kalus.

Die Suche nach einem neuen Grundstück wird nicht leicht

Der Vaihinger Rathauschef wehrt sich wiederum gegen den Vorwurf, er habe nicht genügend für den bisherigen Standort gekämpft. „Dass das RP den Planungen nicht gefolgt ist, hat uns weh getan“, sagt Gerd Maisch. Er sehe sich aber außer Stande, die Waldorf-Pläne nur aufgrund des städtischen Gutachtens zu genehmigen, weil die LUBW-Fachleute zu einem anderen Ergebnis gekommen sind. „Diese Verantwortung will und kann ich nicht übernehmen“, sagt der OB.

Nun sei guter Rat teuer. Ein neues Grundstück sei schwer zu finden. „Wir haben nirgendwo Flächen, die so schnell verfügbar sind, wie der Verein sich das wünscht“, sagt Maisch. Dafür seien zunächst baurechtliche Grundlagen notwendig, für die es allerdings einen jahrelangen Vorlauf brauche. So gebe es etwa für die benachbarten Wiesen in Richtung KZ-Gedenkstätte keinen Bebauungsplan. Für den Waldorfverein sei das zwar unerfreulich und bedauerlich, sagt der Oberbürgermeister, „aber ich kann die Rechtslage leider auch nicht ändern“.

Brom – Vielseitig und Giftig

Verwendung Das Unternehmen Connect Chemicals stellt am Standort Vaihingen/Enz vor allem Foto- und Feinchemikalien her. Ohne Brom würden Fotofilme wesentlich weniger Licht abbilden. Das chemische Element findet in der Chemie vielseitige Verwendung: als Methylbromid dient es der Schädlingsbekämpfung, als Desinfektionsmittel ist Brom milder als Chlor. Aktuell werden Bromverbindungen in Batterien für emissionsfreie Autos getestet.

Nebenwirkungen Elementares Brom ist im Chemikalienlexikon als ätzend und sehr giftig eingestuft. Der flüssige, dunkelbraune Stoff riecht beißend unangenehm und reizt die Atemwege. Hautkontakt muss unbedingt vermieden werden, denn er führt zu schwer heilenden Verätzungen. Inhalierte Bromdämpfe lösen Atemnot aus, führen zu Lungenentzündung oder einem Lungenödem. Auch auf Wasserorganismen wirkt Brom giftig.