Vor 75 Jahren starb die Frau des Automobilerfinders Carl Benz im badischen Ladenburg. Bertha Benz schaffte die weltweit erste pferdelose Fernfahrt. Einen Führerschein hatte sie nicht.

Mannheim - Im Sommer 1888 setzt sich Bertha Benz in das Motor-Gefährt, das ihr Mann Carl erfunden hat, und fährt einfach los. Ausgestattet mit Werkzeug steuert sie auf holprigen Feldwegen von Mannheim nach Pforzheim, mit dabei sind ihre beiden Söhne. Die Tour am 5. August 1888 ist die weltweit erste pferdelose Fernfahrt. Vor 75 Jahren, am 5. Mai 1944, starb die Frau des Automobilerfinders Carl Benz im badischen Ladenburg. Sie wurde 95 Jahre alt.

 

Ihr Mann habe von dem Vorhaben der etwa 100 Kilometer langen Fahrt zu ihrer Familie nach Pforzheim nichts gewusst, sagt der Leiter des Automuseums Dr. Carl Benz in Ladenburg, Winfried A. Seidel, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Denn dann hätte Benz seiner Frau die anstrengende und gefährliche Fahrt ganz sicher verboten.

Einen Führerschein hatte sie nicht

Verboten war es auch, das patentierte Fahrzeug außerhalb eines bestimmten Gebiets in Mannheim zu fahren. Einen Führerschein hatte sie ohnehin nicht, den weltweit ersten hatte ihr Mann erst wenige Tage zuvor erhalten. Trotzdem ratterte Bertha Benz mit dem motorisierten Dreirad die vielen Kilometer, meist über Feldwege. Orientierung bot die Bahnlinie.

Als vor Wiesloch das Benzin ausgeht und der Patent-Motorwagen geschoben werden muss, steigt sie mit ab, packt an. Zwischendurch „tankt“ Bertha Benz an Apotheken, das erste Mal an der Stadt-Apotheke Wiesloch. Sie kauft dort einige Liter „Ligroin“ - Waschbenzin, das normalerweise zur Fleckenentfernung verwendet wird.

Kleine Reparaturen erledigt sie selbst: Die verstopfte Benzinleitung reinigt sie mit ihrer Hutnadel, die Zündung repariert sie mit ihrem Strumpfband. Kühlwasser ist alle paar Kilometer nachzufüllen - etwa aus Brunnen und Straßengraben. Und bergauf müssen die beiden 13 und 15 Jahre alten Söhne, Richard und Eugen, schieben.

Die Fahrzeugkette flickt unterwegs ein Schmied. Die hölzernen Bremsklötze lässt sie von einem Schuster mit Leder beziehen. Eine geniale Idee der Frau, die nie studieren durfte, findet Seidel. Nach der Fahrt habe sie ihrem Mann Verbesserungsvorschläge zur Lenkbarkeit unterbreitet. Daraufhin habe Benz ein vierrädriges Modell weiterentwickelt. Auch die Idee einen dritten Gang einzubauen, stamme von ihr, sagt der Experte.

Das Leben der Bertha Benz

Als die drei spätabends nach 13-stündiger Fahrt in Pforzheim ankommen, schicken sie Carl Benz ein Telegramm, mit dem beruhigenden Hinweis: „Sind glücklich und ohne Schaden angekommen.“

Geboren wird Bertha Benz als Cäcilie Bertha Ringer am 3. Mai 1849 in Pforzheim. Sie interessiert sich schon früh für Technik, in der Schule für höhere Töchter wird das Fach „Naturlehre“ zu ihrer Lieblingsstunde. Der Eintrag in der Familienbibel muss für sie schwer gewesen sein: „Leider wieder nur ein Mädchen“ hatte der Vater anlässlich ihrer Geburt notiert.

Der Legende nach reift in ihr fortan der Wunsch, der Welt zu beweisen, dass sie Großes leisten kann. Sie heiratet den innovativen, aber brotlosen Ingenieur Carl Benz. Bertha glaubt an seine Idee einer pferdelosen Kutsche und unterstützt ihn auch finanziell. Ihre Mitgift lässt sich die wohlhabende junge Frau auszahlen und bewahrt so das Unternehmen vor dem Bankrott.

Leicht hat es das Paar nicht. Als der erste Motorwagen anno 1885 knatternd, fauchend und stinkend durch die Straßen Mannheims fährt, sind die Menschen zwar überrascht von der pferdelosen Kutsche des Erfinders Carl Benz (1844-1929). Doch der Spott ist groß, da das Gefährt nach kurzer Fahrt meistens wegen einer Panne stehenbleibt.

Dennoch meldet der Ingenieur sein selbstfahrendes, dreirädriges Fahrzeug am 29. Januar 1886 zum Patent an - das Datum gilt als Geburtsstunde des modernen Automobils. Kaufinteressenten gibt es jedoch nicht. Erst Berthas Langstreckenfahrt verhilft der Idee zum Durchbruch.

Bertha Benz erzählte später, dass sie als erste gezeigt habe, dass das „Automobil auch für weite Strecken gut ist“. Ihr Mann bewunderte ihren Mut und gab offen zu, dass sie „eine für die Weiterentwicklung des Motorwagens entscheidende Fahrt unternommen hat“.

Erst spät wird ihre Lebensleistung anerkannt: Zwei Tage vor ihrem Tod, an ihrem 95. Geburtstag, wird sie als erste Frau von der Technischen Universität Karlsruhe zur Ehrensenatorin ernannt. Der Daimler-Konzern würdigt heute ihre Leistung: Mit ihrem unerschütterlichen Glauben und ihrer Tapferkeit habe sie Geschichte geschrieben. (1165/29.04.2019)