Der Aufschwung am deutschen Arbeitsmarkt setzt sich fort. Nicht ganz so rosig ist die Situation am Ausbildungsmarkt. Hier fehlt der Nachwuchs. Viele Betriebe in der Gastronomie oder im Nahrungsmittelhandwerk können Lehrstellen nicht besetzen.

Stuttgart - Der Lehrlingsmangel in Baden-Württemberg spitzt sich zu. 7659 Ausbildungsstellen waren nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit zum Stichtag 30. September noch unbesetzt – 491 mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres (plus 6,8 Prozent). Dem gegenüber stehen rund 987 unversorgte Bewerber, 28 weniger als vor Jahresfrist. Die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen ist zuletzt gestiegen: Von Oktober 2016 bis September 2017 wurden den Agenturen für Arbeit im Land insgesamt 79 120 Lehrstellen gemeldet, 567 mehr als im Vorjahreszeitraum. In verschiedenen Branchen wird es allerdings immer schwieriger, angebotene Lehrstellen zu besetzen.

 

Der Hauptgeschäftsführer des Baden-Württembergischen Handwerkskammertags (BWHT), Oskar Vogel, spricht von einer „dramatischen Lage“ insbesondere für Betriebe im Nahrungsmittelhandwerk wie Bäcker oder Fleischer. Zwei von drei dieser Unternehmen hätten offene Lehrstellen. Im Kfz-Gewerbe, zu dem mit dem Kfz-Mechatroniker der beliebteste handwerkliche Ausbildungsberuf gehört, habe noch jeder vierte Betrieb eine Stelle offen. „Besonders problematisch ist, dass mit den heute fehlenden Azubis in Zukunft die Fachkräfte und vor allem auch die ‚Übernehmer‘ fehlen. In den nächsten zehn Jahren stehen mindestens 20 000 Betriebe im Land zur Übergabe an, die qualifizierte Übernehmer, Meister und Betriebswirte benötigen“, warnt Vogel.

Attraktive Arbeitszeitmodelle könnten Anreize setzen

Die Kammern raten Betrieben, frühzeitig an Schulen zu gehen und sich dort beispielsweise im Rahmen von Bildungspartnerschaften an der Berufsorientierung zu beteiligen, Jugendlichen Praktika anzubieten – und eigene Azubis als Ausbildungsbotschafter in Schulen zu schicken, damit diese ihren Beruf präsentieren. Eine weitere Stellschraube könnten attraktive Arbeitszeitmodelle bis hin zur Teilzeitausbildung sein. Gerade bei Frauen könne dieser Punkt ein wichtiger Entscheidungsgrund sein.

Nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) waren zum 30. September insgesamt 2480 Lehrstellen im Südwest-Handwerk unbesetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden 19 575 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen, ein Anstieg von 1,1 Prozent im Vergleich zu 2016. Die zwölf Industrie- und Handelskammern (IHK) im Land verzeichneten im gleichen Zeitraum 44 407 neue Ausbildungsverhältnisse – 0,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Im Bereich der IHK-Berufe gibt es freie Lehrstellen vor allem im Einzel- und Großhandel, in der Logistikbranche, IT-Berufen, der Banken- und Versicherungsbranche sowie in Gastronomie und Hotellerie. „Es werden leider auch in diesem Jahr zahlreiche Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben“, sagt Andrea Bosch, stellvertretende Geschäftsführerin der Abteilung Beruf und Qualifikation bei der IHK Region Stuttgart. Diese ist federführend für das Thema Ausbildung beim Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertag (BWIHK).

IHK unterstützen Bewerber bei der Nachvermittlung

Jugendliche auf Lehrstellensuche und Betriebe, die noch freie Ausbildungsplätze haben, könnten sich an ihre IHK vor Ort wenden. Gerade bei kurzfristig noch zu besetzenden Ausbildungsplätzen böten sich mit Unterstützung der Kammern gute Chancen. „Für Betriebe kann es erfolgversprechend sein, bisher weniger beachtete Zielgruppen als potenzielle Azubis in den Blick zu nehmen: leistungsschwächere Jugendliche, die mit individueller Unterstützung zu motivierten Azubis werden können, Studienabbrecher oder junge Eltern, die eine Ausbildung in Teilzeit absolvieren können“, so Bosch. Auch viele Geflüchtete suchen Ausbildungsstellen und könnten beispielsweise über eine Einstiegsqualifizierung den Weg in eine duale Ausbildung finden.

Am deutschen Arbeitsmarkt setzt sich der Aufschwung unterdessen fort: Die Arbeitslosenzahl sank im Oktober weiter und erreichte einen historischen Tiefstand von 5,4 Prozent. Aktuell sind 2,39 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet, teilte die Bundesagentur für Arbeit am Donnerstag in Nürnberg mit. Gegenüber September ist das ein Rückgang um 60 000, im Vergleich zum Oktober 2016 sogar um 151 000 Arbeitslose. Die Arbeitslosenquote verringerte sich um 0,1 Prozentpunkte auf 5,4 Prozent – den tiefsten Stand seit der Wiedervereinigung 1991.