Die Autoverwertung des Landkreises wird wegen sinkender Einnahmen Mitte nächsten Jahres geschlossen. Auch private Schrotthändler klagen über Umsatzeinbußen.

Böblingen - Eine Lenksäule, ein Kühlergrill, Kunststoffabdeckungen für Scheinwerfer und Rücklichter, jede Menge gebrauchte Reifen und sogar ein alter Rasenmäher warten auf Kunden. Doch kurz vor Mittag ist niemand auf dem Hof der Böblinger Autoverwertung zu sehen. Bis Matthias Raiber mit seinem Roller eintrifft. Der 55-Jährige kommt

 

extra aus Steinenbronn, um sich eine Antriebswelle für seinen Ford Focus zu besorgen – das wird nicht mehr lange möglich sein. Denn die Nachfrage nach gebrauchten Autoteilen ist in den vergangenen Jahren stetig gesunken. Seit 2011 macht die kreiseigene Einrichtung jährlich ein Minus von mehr als 200 000 Euro. Der Umweltausschuss hat deshalb am Montag einstimmig beschlossen, den Schrottplatz Mitte des nächsten Jahres zu schließen.

„Es wird Zeit, dass wir die Reißleine ziehen“, erklärte der Landrat Roland Bernhard. Die Autoverwertung wurde im Jahr 1984 eröffnet, als es noch gang und gäbe war, sich Ersatzteile auf dem Schrottplatz zu holen. Enorme Kosten sparte man erst recht, wenn man sein Fahrzeug selbst reparieren konnte.

Schrottautos sind in Osteuropa begehrt

„Das ist schon lange vorbei, weil die modernen Autos immer komplizierter geworden sind“, sagt Matthias Raiber. Er fahre noch ein älteres Modell. Die Antriebswelle lasse er sich dennoch von einem Bekannten einbauen. „Es gibt immer weniger private Bastler,“ stellt Wolfgang Bagin fest, der Leiter des kreiseigenen Abfallwirtschaftsbetriebs (AWB), der den Schrottplatz betreibt. Man habe versucht, Kontakte nach Osteuropa zu knüpfen, wo der Bedarf an gebrauchten Ersatzteilen noch groß sei. Doch seien die Vertriebswege zu lang und damit wohl kaum wirtschaftlich. Die ausgebauten Teile noch billiger abzugeben, sei ebenfalls kein gangbarer Weg angesichts der stetig sinkenden Einnahmen und der hohen Personalkosten, berichtet Bagin.

Auch andere Schrottunternehmen haben Probleme, sich wirtschaftlich über Wasser zu halten. Für Dominik Böpple in Magstadt rentiert sich das Geschäft nicht mehr, so dass er überlegt, seine Autoverwertung zu schließen. Er hat noch einträglichere Geschäftszweige: einen Abschleppdienst und einen Autotransport. „Ich sehe für die Autoverwertung keine Zukunft mehr“, sagt er, „weil immer mehr Elektronik in den Autos ist“ und die Besitzer ihre Fahrzeuge lieber in einer Werkstatt richten ließen. Zudem hätten die Hersteller inzwischen alle eine eigene Autoverwertung.

Langzeitarbeitslose finden einen Job

Und auch sein Kollege Udo Weik von der Gauger Autoverwertung in Weil der Stadt klagt. Bei ihm seien die Einnahmen gravierend zurückgegangen. Er sei inzwischen allein mit dem Schrotthandel beschäftigt, einen Mitarbeiter könne er sich nicht mehr leisten. „Das Internet macht das Schrottgeschäft kaputt“, stellt Weik fest. Dort seien sämtliche Ersatzteile immer günstiger zu haben. Selbst neue Teile würden zu Dumpingpreisen angeboten. Darüber hinaus sei es schwer geworden, an Schrottautos zu kommen: „Viele werden heutzutage nach Osteuropa exportiert.“

Auch in Böblingen geht die Umsatzkurve kontinuierlich zurück. Man wollte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Schrottfahrzeuge ausschlachten und Langzeitarbeitlose beschäftigen. Über viele Jahre hinweg besorgte die Sindelfinger Beschäftigungsfirma Neue Arbeit Service (NAS) schwer vermittelbaren Arbeitslosen einen Job auf dem Böblinger Schrottplatz. Insgesamt 600 Menschen fanden dort in dieser Zeit ein Einkommen. Doch die NAS ging im vergangenen Jahr insolvent, „weil es zuletzt für die Eingliederung der Erwerbslosen immer weniger Zuschüsse gab und die Einnahmen die Kosten bei der NAS nicht deckten“, sagt Bagin.

Stadt ist an Grundstück interessiert

Bei der Böblinger Autoverwertung arbeiten derzeit noch drei Beschäftigte des AWB. Ein Kraftfahrzeugmeister und AWB-Mitarbeiter, die nach der Schließung im kreiseigenen Abfallbetrieb weitermachen können. Der Sozialarbeiter, ebenfalls beim Kreis angestellt, der früher die Langzeitarbeitslosen der NAS betreute, soll sich im Landratsamt künftig um die Aufnahme von Flüchtlingen kümmern. Er hatte natürlich zusätzliche Kosten verursacht, die private Unternehmen nicht haben.

Zum Jahresbeginn 2016 werden in Böblingen keine Schrottautos mehr angenommen. Das 60 Ar große Gelände gehört dem Kreis und soll zum 30. Juni nächsten Jahres geräumt sein. Geplant sind Resteverkäufe und ein Schnäppchenmarkt. Wie das Areal künftig genutzt wird, ist noch ungewiss. Der Landrat erklärte, er sei mit dem Böblinger Oberbürgermeister Wolfgang Lützner im Gespräch. Eventuell wolle die Stadt das Grundstück vom Kreis erwerben.

Das alles kann Matthias Raiber am Montagmittag völlig egal sein. Er hat eine Antriebswelle für seinen Ford gefunden. Für 50 Euro. „Sie sieht noch ganz gut aus. Wenn sie nicht passt, kann ich sie zurückbringen“, sagt der Steinenbronner, der nun aber ein anderes Problem hat. Das Teil ist nicht leicht und fast einen halben Meter lang. „Jetzt muss noch der Transport klappen“, sagt er, und schwingt sich auf seinen Roller.