Keine Skandale, keine Allüren: Bruce Springsteen kultiviert auch mit siebzig Jahren das Image des hart schuftenden Musikarbeiters.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Etwas altväterlich gab er sich ja schon immer. So gesehen passt’s, dass Bruce Springsteen an diesem Montag seinen siebzigsten Geburtstag feiert. Der Boss, wie sie ihn nennen, seit er einst seine Band allabendlich in bar auszahlte, ist ja tatsächlich auch so etwas wie das Familienoberhaupt der amerikanischen Rocksuperstarsippe. Er füllt mit seinen Konzerten nach wie vor mühelos Fußballstadien, blickt auf zwanzig Grammys sowie 19 Alben zurück, die sich an die hundert Millionen Mal verkauft haben. Und einen Grund aufzuhören hat er schon deshalb nicht, weil ja mittlerweile siebzig das neue dreißig unter den weltweiten Rockgroßstars ist, die Herrschaften von den Stones, Led Zeppelin, Pink Floyd und AC/DC lassen, so sie noch leben, diesbezüglich freundlich grüßen.

 

Vom Gärtner zum Großkopferten

Gratulieren wird Bruce Frederick Joseph Springsteen, der in New Jersey geboren wurde, dort noch immer lebt und sein ganzes Leben abgesehen von einer Kurzzeitbeschäftigung als Gärtner mit Musik verbracht hat, nicht halb, sondern ganz Amerika: die Freunde seines Schaffens aus dem linksliberalen Lager, aber eben auch jenes stramm konservative Amerika, das ihn häufig vereinnahmt hat, wie etwa Ronald Reagan, der in Springsteens „Born in the USA“ eine Patriotenhymne sah. Ein Stück weit hat Bruce Springsteen sich das allerdings auch selber zuzuschreiben, denn wie kein anderer großer Rockstar gilt er als ein All american Guy. Immer stand Springsteen auf der Seite des kleinen, ganz gewöhnlichen Mannes, jegliche Allüren waren und sind ihm fremd, Skandale sowieso; perfekt hat er das Image des schuftenden Musikarbeiters für sich kultiviert, nicht zuletzt durch seine Value for Money versprechenden Konzerte, die auch schon mal satte vier Stunden dauern können.

Eskapaden oder Eskapismus sind auch in seinem Oeuvre nie Springsteens Fall gewesen. Bodenständig und ehrlich geht es in seiner Musik zu, Avantgarde oder Experimente zählen nicht zu den herausstechenden Merkmalen seiner Alben, was ihm letztlich auch bis heute einen Stammplatz in der Radiolandschaft sichert. Ausnahmen bestätigen die Regel, die Wall of Sound, mit der sein Erfolgsalbum „Born to Run“ geschmückt ist, der reduzierte Purismus seines besten Werks „Nebraska“ oder das Album „We shall overcome“, in dem er Pete Seeger huldigt, auch einem uramerikanischen Musiker übrigens.

Musik sagt mehr als Worte

Wie weit er den uramerikanischen Idealen treu bleibt, hat man sich schließlich auch gefragt, als Springsteen vor wenigen Monaten und bald fünfzig Jahre nach seinem Debütalbum „Greetings from Asbury Park, N.J.“ sein aktuelles Album „Western Stars“ vorlegte. Wie würde die Abrechnung mit dem Amerika Donald Trumps ausfallen, fragten sich die Beobachter. Doch Springsteen, der Freund Barack Obamas, schwieg zu politischen Dingen – er ließ die Musik für sich sprechen. Damit besitzt er in der derzeitigen Lage unter den wütenden bis desillusionierten amerikanischen Großmusikern zwar ein relatives Alleinstellungsmerkmal, an einer solchen künstlerischen Haltung an sich ist aber per se nichts zu kritisieren.

Bruce Springsteens beeindruckendes Lebenswerk steht ohnehin für sich. Er gibt den „normalen“ Menschen in seinem Heimatland eine Stimme, er ist ein Chronist der Verhältnisse, die in den vergangenen fünfzig Jahren in den USA ja schon mehrfach aus der Bahn geraten sind, und in seiner im vergangenen Herbst erschienenen Autobiografie schildert er auch in bemerkenswert offenen Worten, wie er nicht nur mit solchen Widerständen, sondern auch ganz persönlichen Lebenskrisen zu kämpfen hatte und hat. „Born to run“ heißt sie. Wie sein drittes Album, das ihm 1975 zum internationalen Durchbruch verholfen hat. Und wie das Lebensmotto eines rastlos Suchenden.

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