Vorschläge für Kandidaten, die Bundespräsident werden könnten, gibt es offenbar zuhauf. Doch über welche Tugenden und Talente sollten sie haben? Armin Käfer

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Was braucht es, um Bundespräsident zu werden? Das Grundgesetz nennt nur drei Kriterien: Wer sich um das höchste Amt der Republik bewirbt, muss einen deutschen Pass besitzen, mindestens 40 Jahre alt und wahlberechtigt sein. Doch was sollte ein Präsident können? Was zählt bei der Kandidatenkür? Was wäre zu wünschen? Frau oder Mann? Bisher gab es nur Männer an der Spitze des Staates. Mit einem Mangel an Kandidatinnen ist das nicht zu erklären. Schon 1979 hätte auch eine Frau Bundespräsidentin werden können, zumindest theoretisch. Damals hatte die SPD Annemarie Renger aufgestellt. Die war aber chancenlos, galt bloß als Zählkandidatin. Viele solche folgten ihr. Gesine Schwan trat sogar zweimal ohne sichere Siegperspektive an: 2004 und 2009 unterlag sie jeweils Horst Köhler. Ungeachtet der Männerdominanz im Präsidentenamt gibt es auch 2017 keine zwingende Notwendigkeit, partout eine Frau zu wählen. Das Gender-Argument hat an Wert eingebüßt, seit Angela Merkel Kanzlerin ist. Die Idee, im Zeitalter der Massenflucht einen Deutschen mit Wurzeln in der Fremde zum Staatsoberhaupt zu küren, klingt charmant, ist aber keine unverzichtbare Voraussetzung für gelingende Integration. Nach der Wiedervereinigung hat es auch mehr als zwei Jahrzehnte gedauert, bis ein Ostdeutscher Präsident wurde: Gauck war das. Ist ein Parteibuch schädlich? Die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung und der Termin für die Präsidentenwahl sind so, dass eindeutige Parteikandidaten es schwer haben werden. Es gibt keine klare Dominanz unter den 1260 Wahlmännern und -frauen. Alle Kandidaten werden auf Stimmen aus verschiedenen Lagern angewiesen sein. Zum Auftakt des Bundestagswahljahrs wird sich wohl keine Fraktion für einen Bewerber mobilisieren lassen, der als Aushängeschild einer konkurrierenden Partei gilt, dessen Sieg gar die Wahlchancen dieser Partei beflügeln könnte. Deshalb sind überparteiliche Kandidaten gesucht – oder wenigstens solche, deren Parteimitgliedschaft nicht im Vordergrund steht. Seit Christian Wulffs Versagen im höchsten Staatsamt darf bezweifelt werden, dass Berufspolitiker für diese Aufgabe besonders qualifiziert sind. Mit Rücksicht auf die ohnehin großen Vorbehalte im Land wären die Parteien gut beraten, den Anschein zu vermeiden, sie hielten das Amt für einen Versorgungsposten oder den Präsidenten für eine x-beliebige Figur auf dem Schachbrett der Macht. Wer aber glaubt, es bräuchte da eine Art Volkstribun, der möge nach Österreich blicken, falls die unheilvollen Erfahrungen aus der Weimarer Republik schon in Vergessenheit geraten sein sollten. Ein zweites Gravitätszentrum in der Architektur der Macht schafft Unwucht im demokratischen Gefüge. Das spricht auch gegen eine Volkswahl des Staatsoberhaupts. Royal oder volksnah? Bundespräsidenten sind auch so etwas wie Ersatzmonarchen – im guten wie im schlechten Sinn. Die familiären Verhältnisse der Wulffs verschafften den Boulevardmedien fast so viel Stoff wie die Sprösslinge des Hauses Windsor. Der Hausherr in Schloss Bellevue hat eine ähnliche Rolle wie die Queen, nur muss er ohne Krone auskommen: Im Idealfall ist er Integrationsfigur, gibt Denkanstöße, hält sich aus der Tagespolitik aber heraus. Royale Distanz ist beim deutschen Staatsoberhaupt weniger gefragt. Leutseligkeit, Humor und eine Sprache, die jeder versteht, verhelfen ihm zu Popularität. Der Bundespräsident hat nur Macht durch die Kraft seiner Worte. Da wird es nach dem Prediger Gauck jeder schwer haben. Was sind die Herausforderungen? Schloss Bellevue liegt bekanntlich an der Spree. Brücken führen hinüber in die weniger exklusive Welt des Berliner Stadtteils Moabit. Der nächste Chef im präsidialen Palais muss Brücken bauen zwischen der Politik und ihrem entfremdeten Publikum. Er muss den Wutbürgern sein Ohr leihen, ohne ihr Sprachrohr zu werden. Er ist als Mediator gefragt, als Mittler zwischen einem Volk, in dem sich viele schlecht vertreten fühlen, und seinen häufig zu Unrecht diskreditierten Repräsentanten. Zwei Institutionen mit ramponiertem Ansehen bedürfen seiner besonderen Fürsprache: die Europäische Union und die parlamentarische Demokratie.