Bund, Länder und Verkehrsverbände müssen sich einigen, wie das Geld aus dem Deutschlandticket verteilt wird. Eine „Raketenwissenschaft“ sei das, sagen Branchenvertreter. Es geht um Milliarden.

Berlin: Tobias Heimbach (toh)

Das Deutschlandticket ist beliebt. Rund zehn Millionen Menschen haben es bereits gekauft. Das Ticket macht für die Fahrgäste alles sehr einfach. Niemand muss unterschiedliche Tarifzonen und Preisstufen verstehen. Ein Ticket genügt. Doch so einfach das Angebot für die Fahrgäste ist, so kompliziert ist es auf der anderen Seite für die Verkehrsbetriebe. Sie tüfteln mit Bund und Ländern daran, wie man die Einnahmen aus dem Deutschlandticket künftig verteilt. Im Hintergrund laufen die Verhandlungen seit Monaten. Bis zum Jahresende müssen sie abgeschlossen sein, die Zeit drängt.

 

Warum muss man die Einnahmen neu verteilen? Mit dem Geld aus dem Verkauf der Fahrkarten können die Verkehrsbetriebe nur rund 40 bis 50 Prozent ihrer Kosten decken. Der Rest kommt aus staatlichen Zuschüssen. Bevor es das Deutschlandticket gab, war es einfach, diese Einnahmen zuzuordnen. Sie wurden schlicht auf die Unternehmen innerhalb eines Tarifverbundes verteilt.

Komplizierte Verteilung der Einnahmen

Mit dem Deutschlandticket wird es komplizierter. Wer in Stuttgart wohnt, kann sich das Deutschlandticket auch mit der App des Hamburger Verkehrsverbunds (HVV) kaufen. Wenn man unter der Woche vor allem Auto fährt und das Deutschlandticket nur nutzt, wenn man Verwandte in Bayern besucht – an wen geht dann das Geld? Das seien keineswegs konstruierte Beispiele, berichten Branchenvertreter. Insbesondere die HVV-App ist in ganz Deutschland beliebt. Dort kann man das Ticket auch anteilig für einen Monat buchen und bequem wieder kündigen. 21 Prozent der Käufer des Deutschlandtickets stammen nicht aus dem Verbundgebiet, teilt der HVV mit.

„Die Einnahmen angemessen zu verteilen, ist eine halbe Raketenwissenschaft“, sagt Robert Dorn, Geschäftsführer beim Bundesverband Schienennahverkehr (BSN). Diese Aufgabe soll eine Arbeitsgemeinschaft lösen. Sie besteht aus den vier Branchenverbänden BSN, dem Verband der Omnibusunternehmen (bdo), dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und dem Deutschlandtarifverbund. Außerdem sind Vertreter der Länder und des Bundes dabei.

Rund 5,6 Milliarden Euro müssen verteilt werden

Insgesamt sind pro Jahr rund 5,6 Milliarden Euro aus dem Verkauf des Deutschlandtickets zu verteilen. Derzeit sieht es so aus, als könnte sich ein Postleitzahlenmodell durchsetzen. Die Einnahmen gehen an den Tarifverbund, in dessen Gebiet der Ticketbesitzer wohnt. Das hat aber seine Schwächen, wie das oben genannte Beispiel zeigt. Daher soll es zusätzlich eine „Harmonisierungsschublade“ geben. In diese fließen Daten aus Fahrgastzählungen und Befragungen ein. Touristische Strecken werden stärker gewichtet. Branchenvertreter rechnen damit, dass bis zu 30 Prozent der Einnahmen des Deutschlandtickets über die „Harmonisierungsschublade“ verteilt werden sollen.

Streit über Finanzierung des Tickets

„Das gemeinsame Ziel ist es, eine faire Verteilung hinzukriegen“, sagt Dorn. Doch was als „fair“ empfunden wird, hängt davon ab, was bei den einzelnen Verkehrsunternehmen ankommt. Manche befürchten, sie könnten mit weniger Geld dastehen als bislang. Auch über die generelle Finanzierung des Deutschlandtickets wird diskutiert. Die Bundesländer schätzen, dass man 2023 mindestens 800 Millionen Euro zusätzlich braucht. Die Hälfte davon soll der Bund bezahlen.

Doch das Bundesverkehrsministerium mahnt, die Länder müssten sparen, indem sie zum Beispiel Verkehrsverbünde zusammenlegen. Verkehrsstaatssekretär Michael Theurer (FDP) sagte dieser Redaktion: „Bevor erneut über Finanzierungsfragen gesprochen wird, müssen die für den ÖPNV allein zuständigen Länder an die Strukturen ran.“ Es sei möglich, effizienter zu werden, ohne dass das Angebot der Verkehrsbetriebe leide, sagt Theurer. Er fordert: „Solange diese dringend nötigen Strukturreformen nicht angegangen werden, erübrigt sich die Debatte über weitere Bundeszuschüsse von selbst.“