Die Computermesse Cebit zeigt, wie sehr die Konsumelektronik auch in Betrieben den Takt angibt. Nicht mehr die Unternehmen selbst, sondern ihre Mitarbeiter sind auf der Höhe der technischen Entwicklung. Das birgt auch Konfliktpotenzial.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Hannover - Warum den Dienst-Laptop mitschleppen, wenn das privat gekaufte iPad so viel komfortabler ist? Die Amerikaner haben für diesen Trend eine Abkürzung gefunden: BYOD, also „bring your own device“ oder „bringe dein eigenes Gerät (zur Arbeit) mit“. Diese Entwicklung, mit der sich auch die am Montag beginnende Computermesse Cebit in Hannover beschäftigt, ist ein Beispiel dafür, wie sich mittels moderner, mobiler Kommunikationstechnik die Grenzen zwischen beruflicher und privater Sphäre immer mehr verwischen.

 

Die Messe überschreibt das mit „Shareconomy“, einem Kunstwort aus „Teilen“ und „Wirtschaft“, das nach Auskunft der Messemacher „das Teilen und gemeinsame Nutzen von Wissen, Ressourcen und Erfahrungen als neue Formen der Zusammenarbeit“ beschreiben soll. Es sind weniger die technischen Neuheiten, die im Mittelpunkt der Messe stehen. Es geht vielmehr darum, wie die inzwischen alltäglich gewordenen Innovationen der vergangenen Jahre – von Tabletcomputern bis zu sozialen Netzwerken – das Verhältnis von Firmen zu ihren Mitarbeitern und Kunden verändern. Im Falle eines sowohl privat als auch geschäftlich genutzten, mobilen Hightechgeräts wird das mit dem Teilen sehr konkret. Einst waren die Unternehmen mit den neuesten Mobiltelefonen oder Laptops die Vorreiter. Heute ist es umgekehrt: Trends und Technik aus dem Konsumentenbereich geben den Takt vor.

Wie kombiniert man geschäftliche und private Nutzung?

Doch das schafft Stoff für Konflikte. Wie lassen sich geschäftliche und private Nutzung, die jeweils unterschiedliche Ansprüche an den Datenschutz stellen, miteinander kombinieren? Wie geht eine IT-Abteilung mit dem Dschungel an nicht standardisierten privaten Geräten um? Was passiert, wenn ein Mitarbeiter ein Gerät verliert, auf dem sensible Firmendaten gespeichert sind? Wer verhindert, dass die Arbeitszeit uferlos wird?

„Viele Unternehmen beginnen gerade erst, sich mit dem Thema systematisch zu beschäftigen“, sagt ein Sprecher des IT-Unternehmens IBM. „Deutschland hinkt den USA und den asiatischen Ländern hier noch deutlich hinterher“, heißt es bei der Softwarefirma SAP. Doch das liegt auch daran, dass die Standards bei den Mitarbeiterrechten und beim Datenschutz hierzulande höher sind. Auch für die Unternehmen hat die neue Mobilität der Mitarbeiter ihre Tücken. Statt fest im Büro installierter Personalcomputer muss eine Vielfalt von Tablets und Smartphones mit allen möglichen Programmen und Betriebssystemen verwaltet werden.

Doch schon bisher mussten die IT-Abteilungen von großen Unternehmen Hunderte, ja Tausende von mobilen Geräten in den Griff bekommen. Mobilitätsmanagement ist deshalb auf der Cebit eines der aktuellen Schlagworte. „Es ist kein so großer Unterschied, ob das nun private oder vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Geräte sind“, sagt der Sprecher von SAP. Inzwischen gebe es technische Lösungen, bei denen überhaupt keine sensiblen Daten mehr direkt auf den Geräten gespeichert werden müssen. Einen technischen Wildwuchs wie bisher noch üblich werde es in Zukunft wohl nicht mehr geben, heißt es bei IBM: „Der Mittelweg wird sein, dass die Firma einen Katalog von Geräten definiert, der mit der betrieblichen Nutzung kompatibel ist.“

Ist die E-Mail bald Schnee von gestern?

Doch der Komfort hat seinen Preis: Der Arbeitgeber erhält Zugriff auf das private Gerät, etwa durch das Recht, die betrieblichen Funktionen jederzeit an- und abzuschalten, etwa wenn der Verdacht besteht, dass das Gerät in falsche Hände geraten ist. Die Trennung zwischen Arbeitswelt und Privatsphäre, die mit dem Aufkommen der mobilen Elektronik schon brüchig geworden ist, zerbröckelt vollends: Das private Smartphone kommt immer mit in den Urlaub. Nicht nur dessen Anschaffungskosten könnten am Ende beim Mitarbeiter landen, 41 Prozent der Arbeitnehmer in den USA, die ihr privates Gerät für die Arbeit nutzen, tragen laut einer Studie der US-Beratungsfirma Forrester die Nutzungskosten selbst. In Deutschland, Frankreich und Großbritannien ist dies laut Forrester durchschnittlich bei 27 Prozent der Fall – wobei ein deutscher Arbeitnehmer die Erstattung eigentlich einklagen könnte. Doch der Einfluss privater Erfahrungen geht über die Technik hinaus. Nicht nur für den Dialog mit den Kunden, sondern auch für den internen Informationsaustausch werden soziale Netzwerke wie Facebook immer mehr zum Vorbild. Eine aktuelle, vom Computerunternehmen IBM lancierte Umfrage unter globalen Führungskräften spricht von einem Kulturschock für viele Chefs, die ohne tiefere, eigene Erfahrungen darüber entscheiden müssen, wie sie die neuen sozialen Medien in ihre Abläufe integrieren. „Zum ersten Mal in meiner Laufbahn fühle ich mich alt“, zitiert die Studie beispielhaft den Chef eines Versicherungsunternehmens.

Für jüngere Mitarbeiter ist die E-Mail von gestern. Mancher hat gar kein entsprechendes Konto mehr. Die Nachwuchskräfte wollen nicht nur ihr Lieblings-Smartphone nutzen, sondern auch in der Firma so kommunizieren, wie sie es privat gewöhnt sind. Unternehmensinterne soziale Netzwerke dürften in den kommenden Jahren deshalb so selbstverständlich werden wie einst das Telefon und die E-Mail – vor allem, wenn in wenigen Jahren die Generation an jungen Menschen die Unternehmen erreicht, die von klein auf mit dieser Form der Kommunikation aufgewachsen ist.