Das Imperium des Söldnerchefs umfasst weit mehr als die Privatarmee. Oft vergessen wird bei der Auflistung die Propaganda.

Sollte sich künftig jemand an Jewgeni Prigoschin erinnern, dann so: Der 62-jährige Söldnerchef – ehemals Hot-Dog-Verkäufer – steht in Uniform mit Schlapphut allein auf öder Flur. Der verbissen dreinblickende Mann trägt eine kugelsichere Weste, in den Armen ein Schnellfeuergewehr. „Wir sind hier in Afrika“, sagt der Chef der Wagner-Truppe: „Die Temperatur ist über 50 Grad.“ Seine Mannen seien dabei, „Russland noch größer und Afrika noch freier“ zu machen. Es sind die letzten Bilder von Jewgeni Prigoschin, drei Tage später ist er tot. Nach Angaben seines Pressedienstes wurde er bereits in seiner Heimatstadt St. Petersburg beerdigt. Bei einer Trauerfeier im engsten Kreis ohne Öffentlichkeit sei von ihm Abschied genommen worden, hieß es am Dienstag.

 

Mit seiner letzten Afrikareise habe er die Einverleibung seiner Truppe in den russischen Geheimdienst GNU oder die Armee verhindern wollen, meint Lou Osborn von der Investigativ-Organisation All Eyes on Wagner. Putins in Ungnade gefallener Koch habe gewusst, dass er ohne sein afrikanisches Werk für den Kreml nicht mehr nützlich und damit hochgradig verletzlich sei. Genau so kam es: Nach Russland zurückgekehrt, wurde Prigoschin vom Himmel geholt.

Übernimmt ein anderer Söldnerführer?

Seitdem wird spekuliert, was mit seinem afrikanischen Abenteuer geschehen wird. Dass es abgewickelt wird, sei praktisch ausgeschlossen, ist die US-Zeitschrift „Foreign Policy“ überzeugt: Dafür seien die Truppe und der Konzern des ungehobelten Draufgängers für den Kreml zu wertvoll. Bleiben zwei Optionen: dass Prigoschins Imperium ein anderer Söldnerführer übernimmt oder direkt die russische Regierung.

Sein Schattendasein war für Moskau einst unverzichtbar: Stets konnte der Kreml leugnen, mit der Wagner-Truppe etwas zu tun zu haben. So konnte sie sich ungestört in zahlreichen Staaten des Kontinents ausbreiten. Als das Leugnen nicht länger aufrechtzuhalten war, räumte Prigoschin im vergangenen Jahr ein, Vater und Finanzier der Truppe zu sein. Und im Juni machte schließlich auch Putin keinen Hehl mehr daraus, dass der russische Staat die Kosten für Prigoschins afrikanische Abenteuer trage.

Dabei ist unklar, ob tatsächlich Moskau die Wagner-Truppe subventioniert oder umgekehrt. Prigoschins Geschäftsmodell war, dass sich seine Privatarmee selbst finanziert: In Mali und dem Sudan ist sie im Besitz von Lizenzen für die Ausbeutung von Goldminen, in der Zentralafrikanischen Republik betreibt sie neben Gold- und Diamanten-Bergwerken einen Radiosender, Transport- und Kommunikationsunternehmen.

Fast mythische Ausstrahlung

Nicht jeder ist überzeugt, dass Prigoschins Imperium ohne ihn existieren kann. „Er hatte in weiten Teilen Afrikas eine fast mythische Ausstrahlung“, meint Cameron Hudson vom Zentrum für Strategische und Internationale Studien in Washington: „Ihn zu ersetzen wird Moskau schwerfallen.“

Was bei Prigoschins Imperium oft unberücksichtigt bleibt, ist sein dritter Arm: die Propaganda. Prigoschins „Internet Research Agency“ brachte es bereits bei der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten zu trauriger Berühmtheit. In Afrika sollen seine Desinformanten in mindestens 16 Projekte verwickelt sein – Radioprogramme, Internetplattformen, die Produktion von Komikfilmen oder als Trolle. Ihre Stoßrichtung: Kritik am „neokolonialistischen Westen“.

Prigoschins Propaganda-Maschine mischt sich in so gut wie jede Wahl auf dem Kontinent ein. Sie stützt Afrikas Big Men und denunziert Repräsentanten der Zivilgesellschaft als Marionetten des Westens. Fällt auch das unter Moskaus Verantwortung, ändert sich Russlands Rolle in Afrika entscheidend. Aus den Umtrieben eines obskuren Rabauken wird dann die offizielle Afrika-Politik des Staates. Dann droht erneut ein Kalter Krieg in Afrika heiß ausgetragen zu werden.