Christopher Nolans "Inception" mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle ist der aufregendste Großfilm des Sommers.

Stuttgart - Paris war auch schon mal vernünftiger. Die von Zigtausend Fotos, Filmen und Romanen auf ihre Gestalt festgelegte Stadt faltet ihre Straßen rechtwinklig hoch, knickt die entstehenden Wände noch einmal ab, so dass nun ein Himmel aus Häusern, Straßen, Autos und Fußgängern entsteht, falzt auch diese Ebene noch einmal um. Die Metropole hat nun einen Karton aus sich gemacht und die Menschen in endgültiger Hochnäsigkeitsarchitektur umschlossen: nichts gibt es mehr außer Paris.

Doch Halt, ist es wirklich die Stadt, die sich da biegt? Oder wird sie gebogen? In den Straßen des Steinkartons läuft Leonardo DiCaprio in der Rolle des gewieften Profis einer noch geheimen Kommunikationstechnik herum, Ellen Page an seiner Seite als frischgebackene Praktikantin dieser Zunft. Pages Ariadne, eine junge Architektin, ist verantwortlich für die Umkrempelung des Stadtbilds, für das Hervorbrechen einer Vision von Piranesi oder M.C. Escher aus der realen Ordnung. Ariadne, zu Gast in einem fremden Traum, hat gerade erfahren, dass sie übers Schauen hinaus Einfluss nehmen kann. Und schon probiert sie das im größten Maßstab aus. Bescheidenheit gehört nicht zum Repertoire der Figuren von "Inception", des verrücktesten Großfilms der Saison.

"Das geht mir unter die Haut": Mit dieser Wendung, die Beglückung wie Erschrecken benennen kann, konstatieren wir eine Grenzverletzung. Etwas hat sich an den Instanzen des Betrachtens und Abwehrens vorbeigedrängt und ist nun dort, wo wir es nicht mehr objektivieren können. Es ist so weit vorgedrungen, dass es Teil von uns ist.

Cobb ist Virtuose einer radikalen Form der Industriespionage


Nach diesem Raumgewinn streben alle, die uns manipulieren wollen, Ideologen, Werbefuzzis, Politiker, Priester, Gurus, Konsumgüterindustrie und Trickbetrüger. Der von Leonardo DiCaprio gespielte Cobb ist ein Profi der Grenzverletzung. Er kann mit Hilfe von Apparaten und Medikamenten in die Träume anderer Menschen vordringen, um dort die heikelsten Informationen abzuschöpfen. Cobb ist Virtuose einer radikalen Form der Industriespionage und auch von der Tatsache nicht aufzuhalten, dass besonders gefährdete Personen mittlerweile von Spezialisten geschult werden, Traumangriffen standzuhalten. Cobb implementiert dann einen Traum im Traum, und wenn es sein muss, einen weiteren Traum, um den Gegner zu verwirren, zu täuschen, in Sicherheit zu wiegen.

In Christopher Nolans "Inception" aber soll Cobb keine Informationen abgreifen, sondern erstmals welche implementieren. Er soll bewirken, dass die Zielperson eine bestimmte Entscheidung trifft. Dazu muss er im Unterbewusstsein des Fremden mit einem ganzen Team eine Art Theater aufführen, muss im Stellwerk der Träume Weichen umlegen, muss lockend und drohend gewährleisten, dass der Träumer zum gewünschten Gedanken findet.