Feiern und demonstrieren geht beim CSD gut zusammen. In Berlin sind mehrere hunderttausend Menschen dabei. Die einen tanzen auf der Straße, die anderen auf den Dutzenden von Trucks.

Bunt, laut und in der Innenstadt nicht zu übersehen: Beim Christopher Street Day (CSD) waren am Samstag in Berlin Hunderttausende Menschen auf den Straßen. Der Demonstrationszug mit gut 75 Fahrzeugen und rund 100 Gruppen von oft fantasievoll gekleideten Teilnehmern zu Fuß bewegte sich auf einer 7,4 Kilometer langen Strecke durch mehrere Berliner Stadtteile. Das Motto lautete diesmal „Be their voice – and ours! Für mehr Empathie und Solidarität!“ House- und Elektrobeats waren zu hören. Seifenblasen stiegen auf, Konfetti wurde geworfen, viele tanzten auf den Straßen - und auf den Anhängern der Trucks.

 

Die Regenbogenfarben gab es auf dem T-Shirt von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) genauso zu sehen wie auf Sonnenschirmen, Strohhüten, in manchen Gesichtern und auf einer überdimensionalen, riesigen Fahne, die von Dutzenden von Teilnehmern über ihren Köpfen hochgehalten wurde.

Mehrfach Anti-Wegner-Plakate

Dass die Bundestagspräsidentin zusammen mit dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner die Eröffnung übernahm, war eine Premiere. Wegner war gleichzeitig der erste Berliner CDU-Regierungschef, der sich dazu bereit erklärt hatte. Allerdings gab es bei seiner Rede an die queere Community auch etliche Buhrufe. Manche forderten sogar „Wegner muss weg“. Auch Anti-Wegner-Plakate waren mehrfach zu sehen.

Dabei gab sich der CDU-Politiker sichtlich Mühe und stellte eine Erweiterung des Artikels 3 im Grundgesetz in Aussicht. „Meine feste Zusage für diesen Berliner Senat ist: Wir wollen den Artikel 3 des Grundgesetzes ändern. Da muss die sexuelle Identität mit rein. Das ist mein Versprechen“, sagte er. „Wir werden das gemeinsam mit euch auch hinbekommen.“

„Wir müssen ein deutliches Zeichen setzen für eine freie, vielfältige, diverse Gesellschaft“

Aus der queeren Community gibt es seit Langem die Forderung, den Artikel zu ergänzen. Laut dem Grundgesetzartikel darf niemand beispielsweise wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung oder seines Glaubens benachteiligt werden.

Als queer bezeichnen sich nicht-heterosexuelle Menschen beziehungsweise Menschen, die sich nicht mit dem traditionellen Rollenbild von Mann und Frau oder anderen gesellschaftlichen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizieren.

Bundestagspräsidentin Bas rief dazu auf, gemeinsam gegen Diskriminierung aufzustehen. „Wir müssen ein deutliches Zeichen setzen für eine freie, vielfältige, diverse Gesellschaft“, sagte sie. Auch in Deutschland nehme die Diskriminierung zu. „Und dagegen müssen wir uns alle wehren und auch gemeinsam dagegen aufstehen und Haltung zeigen.“

Eine der größten Veranstaltungen der LGBTIQA*-Community in Europa

Der CSD sei ein Grund zu feiern. „Aber es ist auch eine Demonstration für queere Rechte, für alle Menschen, dass sie so in diesem Land leben können, wie sie wollen.“ Neben Wegner nahmen auch mehrere andere Berliner Regierungsmitglieder wie Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey, Kultursenator Joe Chiallo und Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe teil.

Die Veranstalter hatten für den Demonstrationszug 500 000 Teilnehmer angemeldet. Der Berliner CSD ist damit eine der größten Veranstaltungen der LGBTIQA*-Community in Europa. Die Abkürzung steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Intersexuelle, Queere, Asexuelle und andere.

77 Fahrzeuge und rund 100 Fußgruppen

Beim Demonstrationszug waren laut Veranstalter 77 Fahrzeuge und rund 100 Fußgruppen aus aller Welt unterwegs. Darunter waren auch Menschen aus der Ukraine mit einem eigenen Truck.

Bei nicht zu heißem Wetter warfen sich viele CSD-Teilnehmer in Schale: Sakkos und Krawatten in Regenbogenfarben waren ebenso zu sehen wie weiße Turbane, Frisuren mit ausladendem Blumenschmuck, Glitzer-Hosen oder nackte Oberkörper. Einige waren mit Fahrrad oder Lastenfahrrad unterwegs, Familien auch mit Kinderwagen. Den zahlreichen Zuschauerinnen und Zuschauern entlang der Route wurde nicht langweilig. Zum CSD-Abschluss war ein umfangreiches Bühnenprogramm am Brandenburger Tor geplant - bis Mitternacht.

Der Christopher Street Day findet jedes Jahr in vielen Städten in aller Welt statt und erinnert an Ereignisse vom 28. Juni 1969: Polizisten stürmten damals die New Yorker Schwulen- und Lesbenbar „Stonewall Inn“ in der Christopher Street und lösten dadurch mehrtägige Proteste von Schwulen, Lesben und Transsexuellen aus. Der CSD soll an die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, Intersexuellen und queeren Menschen erinnern.