Die Bilanz in der Freizeitfahrzeugindustrie fällt uneinheitlich aus. Während die Reisemobile 2023 Zuwächse verzeichnen, ist das Geschäft mit den Caravans rückläufig.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Es ist die erste öffentlichkeitswirksame Amtshandlung von Bernd Löher. Der neue Präsident im Caravaning-Industrie-Verband Deutschland (CIVD) präsentiert im größtmöglichen Rahmen die aktuellen Zahlen seiner Branche – im Rahmen einer Jahrespressekonferenz auf der Reisemesse CMT. „Der Markt normalisiert sich“, so Löher über die Bilanz 2023, dem ersten Nach-Corona-Jahr.

 

Von der Krise profitierte zuvor vor allem das Geschäft mit dem Wohnwagen, der in Zeiten von Corona-Beschränkungen für viele zur letzten bezahlbaren, Reisefreiheit versprechenden Bastion wurde. Mit dem Ende der Gesundheitsauflagen 2023 ebbte das Geschäft mit Anhängern wieder ab. 21 896 solcher im vergangenen Jahr neu zugelassene Caravans bedeuten im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang von 10,5 Prozent.

Aufgefangen wurde diese Entwicklung von den in der Regel teureren Reisemobilen, die mit 68 469 Neuzulassungen zuletzt auf ein Plus von drei Prozent gekommen sind. Noch deutlicher ist der Unterschied beim Export. Dort bedeuten 44 869 ausführte Wohnwagen ein Minus von 17,4 Prozent. Demgegenüber stehen 88 699 Reisemobile für einen Zuwachs von 18,3 Prozent. Was zu einem Gesamtumsatz der Branche von 15,3 Milliarden Euro führt, ein Plus von 8,8 Prozent. „Unsere Produkte bleiben im Trend, die vielen Besucher in den ersten Tagen der CMT stehen für ein ungebrochenes Interesse“, so Verbandschef Bernd Löher.

Neue Situation nach Corona

Die Angaben des Verbands sind auch im Zusammenhang mit dem aktuellen Angebot auf der Stuttgarter Messe zu sehen. Die im Zuge von Corona bis zu 30 Prozent gestiegenen Tarife lässt das Interesse an Campern weiter steigen. Das verdeutlichen die in Stuttgart präsentierten Fahrzeuge. Von den insgesamt etwa 1300 Ausstellungsstücken sind Kastenwagen mit Zeltdächern, Camping-Busse und Campervans weitaus stärker vertreten als Luxusliner oder Wohnwagen. Die Minicamper sind so etwas wie das motorisierte Symbol der CMT 2024. Fahrzeuge, wie der Habiton vom Hersteller Bürstner, der auf einem Renault Kangoo basiert.

Noch zwei zusätzliche Trends hat ein Camper aus dem Hause Grebner zu bieten. Für das beliebte Retrodesign sorgt die Karosserie eines Berlingo-Citroën. In dieser Neuheit ist als weitere Besonderheit ein E-Antrieb verbaut, der es laut Hersteller auf eine Reichweite von 280 Kilometer bringt und für rund 65 000 Euro zu haben ist.

Neu ist auch, dass es dem Angebot auf der CMT nicht mehr gerecht wird, von Freizeitfahrzeugen zu sprechen. Die „Workation Mobiles“ stehen für einen Zeitgeist, der Arbeit und Urlaub nicht mehr voneinander trennt. Entsprechende Kunden haben bei der technischen Ausstattung und beim Mobiliar des Reisefahrzeugs mit Doppelfunktion andere Ansprüche als die bisherige Klientel. Das mobile Homeoffice könnte in den nächsten Jahren zu einem eigenem Segment innerhalb der Branche werden.

Große Abenteuerlust und Minimalismus

Wer ein Reisefahrzeug sucht, sucht immer häufiger Unabhängigkeit und die Nähe zur Natur. So heißt es von Seiten des deutschen Caravaning-Industrie-Verbands. Individualität spielt auch am Zielort eine immer wichtigere Rolle, während das Gruppenerlebnis Camper an Camper an Bedeutung verliert. Diesem Wunsch sollen einem die Crossroad-Fahrzeuge erfüllen, die durch Vierrad-Antrieb geländegängig sind. Das Design transportiert den Wunsch nach Wildnis. Es würde nicht wundern, wenn aus so einem Gefährt jetzt plötzlich TV-Tierarzt Daktari aussteigen würde, der im Wageninneren soeben einen Löwen erfolgreich operiert hat. Das Großwild hätte dort auch genug Platz, um sich von der Schussverletzung zu erholen, die ihm ein Wilderer zugefügt hatte. Für einen solchen Einsatz bietet sich der XTura von Eura Mobil an, dessen Basis ein Mercedes-Sprinter ist und in neuer Optik über 150 000 Euro kostet. Jetzt gilt es nur noch, einen geeigneten Stellplatz für ein solches Modell zu finden. In der Wildnis ist wild Campen oft untersagt.

Große Fahrzeuge fürs große Abenteuer sind aber eher Ausreißer auf dieser CMT. Der allgemeine Trend geht eindeutig zum bescheideneren Auftritt. Auf einem minimalistischen Weg haben sich nun auch viele zuletzt schwächelnde Anhänger-Hersteller gemacht. Tiny-Caravans sind ein Hingucker dieser Messe. Die überdachten Betten auf Rädern haben einen ganz eigenen Charme. Damit sollen vor allem junge Leute angesprochen werden, eine immer wichtiger werdende Zielgruppe der Branche. Das unterstreicht die oftmals moderne Einrichtung der Camper und Stauräume fürs Surfbrett.