Der Gerichtsmediziner Dr. Siri wird vom Bergvolk der Hmong entführt, um einen bösen Fluch zu brechen. Colin Cotterill erzählt das gewohnt charmant, aber auch leicht überdreht.

Stuttgart - Geisterglaube, das Schicksal der unterdrückten Hmong, jenes hauptsächlich in den Bergen von Laos, Thailand und Vietnam lebenden Volkes, der praktizierte Sozialismus der Parteikader und die Mangelverwaltung im Laos der achtziger Jahre – das ist das exotische Ambiente der Siri-Paiboun-Roman des Engländers Colin Cotterill. Seine Hauptfigur Siri ist 73 Jahre alt, klein, von stämmiger Statur, und ziemlich auf Zack. Zusätzlich hält die Nudelköchin Madame Daeng den wackeren Doktor auf Trab, der als vom kommunistischen Regime in Laos offiziell bestellter Pathologe einige Privilegien genießt. Doch bevor die beiden sich kriegen, hat der rüstige Nichtrentner in seinem fünften Fall allerhand Dschungelabenteuer zu bestehen.

 

Eher zwanglos entführt

Während Siris Assistentin Dtui in der Hauptstadt Vientiane gemeinsam mit Madame Daeng mit einer dummerweise tiefgefrorenen Soldatenleiche zu kämpfen hat, die zu allem Überfluss auch noch einen explosiven Inhalt birgt, wird Siri im Norden des Landes, auf dem Weg in die Unruheprovinz Xieng Khouang, von einer Abordnung der Hmong entführt. Die Entführung gestaltet sich „eher zwanglos“, und Siri wird bei dieser Gelegenheit seinen Begleiter, Richter Haeng, los, von dem es heißt, er habe „langjährige Erfahrung darin, andere mit seinen Ansichten zu tyrannisieren.“

Der wackere Doktor landet schließlich in einem Hmong-Dorf, wo er sich mit dem überwiegend aus Frauen bestehenden Grüppchen des Bergvolks bestens arrangiert. Er wohnt einer Bestattung bei, rettet die von bösen Dämonen besessene Tochter des Altvorderen Long und hilft den Hmong schließlich, ihre Zelte abzubrechen und auszuwandern – nicht ohne vorher ein ordentliches Gelage überstanden zu haben und in der ihm zugedachten Rolle des Schamanen nebenbei auch noch das Geheimnis des Pogo-Sticks, einem Kinderspielzeug, zu lüften.

Sprünge, Fantasie und Humor

Die Aufzählung zeigt es schon, der Autor verfügt über ein beachtliches Fantasie-Potenzial. Außerdem strotzen die Beschreibungen des 1952 in England geborenen, weit gereisten und mittlerweile in Thailand lebenden Colin Cotterill vor trockenem (britischem?) Humor. Auch die Ansichten des „praktizierenden Zynikers“ Siri scheinen denen des Autors nicht ganz fern zu sein. All das macht über weite Strecken den Charme des Romans aus. Im Gegensatz dazu kommt der Plot recht zusammengestückelt daher.

Die Ereignisse in Laos sind zwar liebevoll – und äußerst lehrreich – beschrieben, das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Geschichte ziemliche Sprünge hat. Kapitelüberschriften wie „Der Krankenschwestern-Report“, „Von Cashews muss ich immer furzen“ oder „Coitus interruptus“ machen immerhin gleich klar, dass Cotterill weder vor aberwitzigen Einfällen noch vor schrägen Figuren zurückschreckt. Manche mögen ja genau das.

Colin Cotterill: Der Tote im Eisfach. Roman. Aus dem Englischen von Thomas Mohr. Manhattan Verlag, München. 288 Seiten, 17,99 Euro. Auch als Hörbuch (gelesen von Jan Josef Liefers, 19,99 Euro) und als E-Book (13,99 Euro) erhältlich.