Die AfD sucht in der Coronakrise nach einer klaren Linie und Ideen, mit denen sie Au fmerksamkeit erregen kann. Auch im Netz verliert sie an Durchschlagskraft.

Berlin - Im Berliner Parlamentsviertel ist es in diesen Tagen so leer, dass die Flure noch länger, die Lobbys noch größer wirken als sonst. Das liegt nicht nur an der Pandemie – es ist Osterpause. Für alle? Nein, nicht für die AfD-Fraktion. Obwohl im ganzen Land Kontaktbeschränkungen gelten, versammelten sich 68 Parlamentarier der Rechtspartei bis in den Dienstagabend zu einer Sondersitzung – die war von einem Viertel der Fraktion erzwungen worden. Einige, wie Fraktionschefin Alice Weidel, reisten nicht an, sondern ließen sich telefonisch zuschalten.

 

Das Virus macht der AfD zu schaffen

Es ging bei der sechsstündigen Sitzung um die Bedrohung durch das Virus – in zweierlei Hinsicht. Denn die Pandemie treibt die Partei in einen Abwärtstrend in den Umfragen. Das ist zunächst kein Spezifikum der Rechtspopulisten, sondern gilt für die Opposition insgesamt. In der AfD kommt ein hausgemachtes Problem hinzu: Seit Wochen bietet die Partei ein uneiniges Bild. Es fehlt eine Linie zur Coronakrise, gleichzeitig leistet sich die Partei einen Machtkampf. Nachdem der Bundesvorstand den ultrarechten Flügel zur Selbstauflösung aufgefordert hatte, brachte Parteichef Jörg Meuthen die Partei mit dem Vorschlag einer Spaltung in Wallung. Inzwischen musste Meuthen kleinlaut per Vorstandsbeschluss seine Idee zurücknehmen. Richtungs- und Führungsdebatten sind nichts Neues in der AfD – aber erstmals finden sie in einer Phase statt, in der es nicht rundläuft.

In der Coronakrise hielt Fraktionschefin Alice Weidel zwar zu einem frühen Zeitpunkt, nämlich Anfang März, als Reaktion auf die Regierungserklärung von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eine deutliche Rede, in der sie vor der ernsten Gefahr einer Pandemie warnte.

Kritik erntete Weidel aber intern – der Arbeitskreis Gesundheit fühlte sich übergangen. Vor allem machten in den Wochen darauf viele Abgeordnete deutlich, dass sie Weidels Sicht für übertrieben halten. Wer sich mit Parlamentariern traf, dem streckten sich immer wieder Hände zur Begrüßung entgegen, Abgeordnete wie der Vizeparteichef Stephan Brandner zeigten ein Selfie mit Anhängern ganz ohne Social Distancing. Als der Bundestag Ende März das Hilfspaket verabschiedete, ignorierten immer wieder Abgeordnete die Abstandsregeln, obwohl Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) mehrfach dazu mahnte.

Händeschütteln und kein Abstand

Die Fraktionssondersitzung war nun aus Sicht derer, die sie angestrengt hatten, der Versuch, inhaltlich etwas zum Thema Corona beizutragen, „mit dem man wenigstens mal wieder in die Medien kommt“, wie ein Teilnehmer sagte.

Von „heftig“ über „skurril“ bis „konstruktiv“ wurde die Sondersitzung von Teilnehmern beschrieben. Die Zahl der Redebeiträge war so groß, dass die Redezeit von drei auf zwei Minuten pro Person habe herabgesetzt werden müssen. Eine Gruppe von Abgeordneten habe darauf gedrungen, dass die AfD die sofortige Aufhebung aller Corona-Einschränkungen fordern solle. Der Kompromiss sieht die Forderung nach Maskenpflicht sowie die Öffnung von Läden, Universitäten und weiterführenden Schulen vor.

Flaute in den sozialen Medien

Die Partei erlebt in der Tat eine Flaute in den sozialen Medien. Mit dem Thema Corona erreicht sie ihre Anhänger offenkundig schlecht. Beiträge dazu werden viel seltener bei Facebook und Twitter geteilt, wie der Berliner Kommunikationsberater Johannes Hilje in der Zeitung „Tagesspiegel“ analysiert hat.

Als Fraktionschef Alexander Gauland nach der Sondersitzung vor die Mikrofone trat, erwähnte er zwei Punkte, „weil die wahrscheinlich Niederschlag finden“: die Forderung, das öffentliche Leben am 14. April mit Ladenöffnungen nach österreichischem Vorbild wieder hochzufahren, und den Wunsch nach der Aufhebung des Gottesdienstverbotes zu Ostern.

Auf der Suche nach Aufmerksamkeit werden derweil auch Verschwörungstheorien verbreitet. Der sächsische Bundestagsabgeordnete Jens Maier, von Beruf Richter, warnte via Facebook vor einer „Generalermächtigung“ und ermunterte die Bevölkerung zum Widerstand. In einer Umfrage suggerierte er, wenn der „Lockdown“ nach dem 20. April gelockert werde, hänge das möglicherweise mit dem nahenden Ramadan zusammen.