Der Gesundheitsminister im Land Baden-Württemberg will sich mittelfristig davon lösen, dass Lockerungen und Beschränkungen allein die Inzidenz zur Grundlage haben. Die Sterblichkeit könnte dabei eine Rolle spielen.

Stuttgart - Beim Beurteilen der Corona-Lage kann die Sieben-Tage-Inzidenz nach Ansicht von Landesgesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) auf Dauer nicht mehr der einzige ausschlaggebende Wert für Auflagen und Lockerungen sein. Der Blick auf die Gesamtsituation sei künftig umso wichtiger, wenn es um die Beschränkung von Freiheitsrechten gehe, sagte Lucha am Montag der Deutschen Presse-Agentur und ergänzte: „Die Inzidenz allein kann sicherlich mittelfristig nicht mehr der einzige Indikator für Lockerungen oder Beschränkungen sein.“ Stark ins Gewicht fallen müssten auch die Impfquote sowie die Auslastung der Krankenhäuser und die Krankheitsverläufe.

 

Lucha begrüßte die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Krankenhäuser zu einer detaillierteren Dokumentation der Daten zu den stationär behandelten Corona-Patienten zu verpflichten. „Je mehr Daten wir haben über den Schweregrad von Verläufen, Vorerkrankungen und Sterblichkeit, umso besser können wir die Gesamtlage bewerten“, sagte Lucha.

Weitere Parameter, aber keine Abkehr von der Sieben-Tage-Inzidenz

In Großbritannien zum Beispiel liege die Inzidenz vergleichsweise sehr hoch bei als 300 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen, argumentierte Lucha. Allerdings sei die sogenannte Letalitätsrate - also das Verhältnis der Anzahl der Covid-19-Todesfälle zur Anzahl neuer Infektionen - bei lediglich 2,5 Prozent. „Sie ist damit ähnlich niedrig wie in Deutschland, wo die Sieben-Tages-Inzidenz bei nur 6,4 liegt“, sagte Lucha.

Die Bundesregierung hat zuletzt bekräftigt, dass sie bei der Beurteilung der Corona-Lage weiterhin die Sieben-Tage-Inzidenz im Blick behalten wird. Es sei wichtig, weitere Parameter wie die Krankenhauseinweisungen wegen Covid-19 hinzuzuziehen, um die Lage einzuschätzen, sagte auch ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. „Aber das ist nicht als eine Abkehr von der Sieben-Tage-Inzidenz zu verstehen“, sagte er in Berlin. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will von der Sieben-Tage-Inzidenz zur Beurteilung der Corona-Lage vorerst nicht abrücken.

Der Wert gibt die Zahl der Ansteckungen pro 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen an und ist Grundlage für viele Corona-Maßnahmen, etwa für die zuletzt ausgelaufene Bundesnotbremse. Er gilt unter Experten weiterhin als Anzeiger dafür, wie sich das Virus in der Bevölkerung verbreitet. Viele Fachleute sind sich aber darin einig, dass mit zunehmendem Impfschutz in der Bevölkerung die Inzidenz in einem anderen Verhältnis zu schweren Verläufen steht als noch vor einigen Monaten.