Die Liebe eines 15-Jährigen zu einer viel älteren Frau, die sich später als NS-Verbrecherin entpuppt: Die Geschichte von Bernhard Schlinks Roman „Der Vorleser“ ist hoch brisant. Mirjam Neidhart inszeniert ihre eigene Dramatisierung an der Esslinger Landesbühne und will nicht nur die erzählten Ereignisse, sondern vor allem den Akt des Erinnerns in den Fokus rücken.

Esslingen - Eigentlich will er nur vorlesen. Doch dann schwappt seine Erinnerung über die gedruckten Buchseiten hinaus, seine Geschichte flutet den Schauplatz. Und Michael Berg wird hineingerissen ins vergangene Geschehen, als wäre es Gegenwart. Ist es in der Esslinger Landesbühne auch, und zwar als Live-Theaterspiel. Die Regisseurin Mirjam Neidhart, die 1998 in Bad Gandersheim bereits eine szenische Lesung von Bernhard Schlinks Roman „Der Vorleser“ herausgebracht hat, nimmt jetzt für ihre Esslinger Inszenierung den Titel gleichsam als Ausgangspunkt: eine Lesung, die die Geister, die sie ruft, nicht mehr los wird, sondern beschwört als szenische Wiedergänger in Marion Eiseles „permanent sich wandelndem Bühnenbild“, so die Regisseurin.