Die einen hofieren Steuersünder, andere jagen sie. Keine 20 Kilometer von der Luxemburger Grenze entfernt verlässt sich Daniel Schirra an einer Autobahneinfahrt auf sein „zöllnerisches Bauchgefühl“. Das Warnlicht seines Dienstwagens blinkt, er liegt auf der Lauer, jeden Moment bereit, das Gaspedal durchzutreten. „Man scannt alles ab, Auto, Kennzeichen, Insassen“, erklärt der 34-jährige Zolloberinspektor und startet durch, einer silbernen A-Klasse hinterher, ein Pärchen sitzt darin, die Liste in seiner Brusttasche hilft ihm beim Entschlüsseln des Kennzeichens. „AK“ steht für Altenkirchen, die beiden kommen aus Rheinland-Pfalz. Die Leuchtanzeige „Zoll“ auf dem Autodach weist dem Mercedes den Weg zum nächsten Parkplatz.

 

Sie müssen schlauer sein als die Schmuggler, sie haben über die Jahre dazugelernt. Schirra trägt Uniform und eine leuchtende Schutzweste. Er kennt die Verstecke derer, die nach einer Kurzvisite im Nachbarland mit Geld im Verbandskasten oder der Unterwäsche zurückfahren, auch die Mulde für den Ersatzreifen oder eine leere Thermoskanne sind beliebt. Allein in Luxemburg haben Anleger rund 50 Milliarden Euro deponiert, nicht nur Bargeld, auch Wertpapiere oder Gold, mit diesen Zahlen kalkuliert die Deutsche Steuergewerkschaft. „Führen Sie Bargeld im Wert von 10 000 Euro oder mehr mit?“, wird das Paar in der A-Klasse gefragt. Die beiden zappeln nervös auf ihren Sitzen. Sie hätten nur getankt in Luxemburg, das sei so schön billig dort, sagt er und findet erst nach langem Suchen die Quittung. Sie hätten nicht viel Bares dabei, sagt sie und wird noch aufgeregter, als die Kontrolleure das Innenleben ihrer Handtasche erkunden. Wer Summen ab 10 000 Euro pro Person nicht angibt, aber trotzdem damit erwischt wird, muss ein Bußgeld zahlen. Doch weder in der Tasche noch sonstwo im Wagen werden die Kontrolleure vom Hauptzollamt fündig. Nach einer guten Viertelstunde dürfen die beiden weiterziehen. „Gute Fahrt“, wünschen die Zöllner.

Zwei Pforzheimer haben 50 000 Euro in bar dabei

Weniger glimpflich geht der Stopp für einen Vater und seine Tochter aus Pforzheim aus. Sie haben 50 000 Euro in bar dabei und sind auf dem Rückweg von Luxemburg, wie sie wortreich erklären. „Mein Vater trägt gerne sportliche Taucheruhren“, sagt die Tochter und zeigt auf eine leere Tüte samt Visitenkarte von Cartier. Sie hätten das Bargeld zu Hause auf der Bank abgehoben, um in Luxemburg einzukaufen, aber seien sich nicht handelseinig geworden. Der Vater drückt ziemlich verkrampft seine lederne Herrenhandtasche an sich, die Tochter quasselt auf die Beamten ein und schwärmt von den Rabatten im Nachbarland. „Solche Geschichten hören wir immer wieder, oft sind es Lügen“, sagt einer der Zöllner und nimmt in einem beheizten VW-Bus die Personalien auf. Er zählt das Geld, fotokopiert die Banderolen, lässt sich den Kfz-Schein zeigen. „Sie können eine Selbstanzeige machen“, rät er mit Nachdruck und bezweifelt die Geschichte von der Herkunft des Geldes. „In zwei, drei Tagen geht unsere Kontrollmitteilung an die zentrale Finanzbehörde raus.“ Der Rest ist Nervensache: Das Essener Finanzamt für Steuerfahndung und Steuerstrafsachen informiert das zuständige örtliche Finanzamt. Die beiden Pforzheimer müssen mit weiteren Anfragen und Nachforschungen rechnen.

Die vier weißen Umschläge in Ernst Seidels Wagen bleiben unentdeckt. Der Rentner hat Glück, weil er an einem Tag ohne Kontrollen die grüne Grenze passiert. Auch er hätte die Herkunft des Geldes nicht glaubhaft nachweisen können, auch sein Finanzamt wäre informiert worden. Doch Seidel hat ein anderes Problem, das wurmt ihn schon lange: das Geldwäschegesetz. Was soll er mit all den Scheinen unterm Teppich anfangen? Sein Lieblingsbanker mit den vielen Tipps hat ihm geraten, immer mal wieder 2000 Euro aufs Konto einzuzahlen, am besten ungerade Beträge, das sei am unauffälligsten. Aber da bräuchte er ja ewig, um die zurückgeholten Summen wieder in den Geldkreislauf einzuspeisen.

Ausnahmsweise hört Seidel nicht auf seinen Banker, sondern auf einen Freund, einer, mit dem er früher immer Tennis gespielt hat und dem er traut. „Du hast eine niedrige Rente und hohe Freibeträge, so schlimm wird das nicht“, hat der gesagt und Seidel überzeugt, das mit den Heimlichtuereien zu beenden. Am besten gleich, denn ab 2015 würden deutlich verschärfte Regeln für geständige Steuersünder gelten.

Die Hausbank hatte eine Dependence in Luxemburg

Das Geld gleiche einem scheuen Reh, warnten die Finanzexperten damals, gerate es in Bedrängnis, dann fliehe es. So kam es dann auch. „Wir waren sehr zufrieden mit den Beratungen“, sagt Seidel, der als Handwerker früher gut verdient und von Fondsmanagement keine Ahnung hat. Seine Hausbank habe damals die Sache mit der Geldvermehrung in die Hand genommen: der Transfer der D-Mark auf eine Dependance im verschwiegenen Großherzogtum und die Zusicherung, dass alles schön diskret ablaufe. Keine Post, keine verräterischen Papiere, stattdessen ein praktischer Selbstabholservice. Die Seidels wurden Stammgäste in einer edlen Confiserie, wo es die besten gefüllten Makronen gibt, quietschbunt und besser bekannt als Médaillons de Luxembourg, und sie wurden Stammkunden in der Bank ihres Vertrauens. Wo sie immer kostenlos parken durften, wo sie immer ein freundlicher Herr begrüßte, der Sätze sagte wie „Ich weiß von nichts“ oder „Machen Sie die Portionen möglichst klein“. Nur bei ihrem letzten Besuch fing er an zu klagen, es war das erste Mal. Im Besprechungszimmer, wo es Gummibärchen gibt und Orangensaft, schimpfte er darüber, dass etliche seiner Kollegen gehen mussten, wegen all der Entlassungen. Und dass der Herr Premier und die Politiker ganz bewusst den Weg frei gemacht hätten für die Besteuerung von Kapitalerträgen und somit für den Abschied von vielen Anlegern – leider.

Das „zöllnerische Bauchgefühl“ hat sich bewährt

Die einen hofieren Steuersünder, andere jagen sie. Keine 20 Kilometer von der Luxemburger Grenze entfernt verlässt sich Daniel Schirra an einer Autobahneinfahrt auf sein „zöllnerisches Bauchgefühl“. Das Warnlicht seines Dienstwagens blinkt, er liegt auf der Lauer, jeden Moment bereit, das Gaspedal durchzutreten. „Man scannt alles ab, Auto, Kennzeichen, Insassen“, erklärt der 34-jährige Zolloberinspektor und startet durch, einer silbernen A-Klasse hinterher, ein Pärchen sitzt darin, die Liste in seiner Brusttasche hilft ihm beim Entschlüsseln des Kennzeichens. „AK“ steht für Altenkirchen, die beiden kommen aus Rheinland-Pfalz. Die Leuchtanzeige „Zoll“ auf dem Autodach weist dem Mercedes den Weg zum nächsten Parkplatz.

Sie müssen schlauer sein als die Schmuggler, sie haben über die Jahre dazugelernt. Schirra trägt Uniform und eine leuchtende Schutzweste. Er kennt die Verstecke derer, die nach einer Kurzvisite im Nachbarland mit Geld im Verbandskasten oder der Unterwäsche zurückfahren, auch die Mulde für den Ersatzreifen oder eine leere Thermoskanne sind beliebt. Allein in Luxemburg haben Anleger rund 50 Milliarden Euro deponiert, nicht nur Bargeld, auch Wertpapiere oder Gold, mit diesen Zahlen kalkuliert die Deutsche Steuergewerkschaft. „Führen Sie Bargeld im Wert von 10 000 Euro oder mehr mit?“, wird das Paar in der A-Klasse gefragt. Die beiden zappeln nervös auf ihren Sitzen. Sie hätten nur getankt in Luxemburg, das sei so schön billig dort, sagt er und findet erst nach langem Suchen die Quittung. Sie hätten nicht viel Bares dabei, sagt sie und wird noch aufgeregter, als die Kontrolleure das Innenleben ihrer Handtasche erkunden. Wer Summen ab 10 000 Euro pro Person nicht angibt, aber trotzdem damit erwischt wird, muss ein Bußgeld zahlen. Doch weder in der Tasche noch sonstwo im Wagen werden die Kontrolleure vom Hauptzollamt fündig. Nach einer guten Viertelstunde dürfen die beiden weiterziehen. „Gute Fahrt“, wünschen die Zöllner.

Zwei Pforzheimer haben 50 000 Euro in bar dabei

Weniger glimpflich geht der Stopp für einen Vater und seine Tochter aus Pforzheim aus. Sie haben 50 000 Euro in bar dabei und sind auf dem Rückweg von Luxemburg, wie sie wortreich erklären. „Mein Vater trägt gerne sportliche Taucheruhren“, sagt die Tochter und zeigt auf eine leere Tüte samt Visitenkarte von Cartier. Sie hätten das Bargeld zu Hause auf der Bank abgehoben, um in Luxemburg einzukaufen, aber seien sich nicht handelseinig geworden. Der Vater drückt ziemlich verkrampft seine lederne Herrenhandtasche an sich, die Tochter quasselt auf die Beamten ein und schwärmt von den Rabatten im Nachbarland. „Solche Geschichten hören wir immer wieder, oft sind es Lügen“, sagt einer der Zöllner und nimmt in einem beheizten VW-Bus die Personalien auf. Er zählt das Geld, fotokopiert die Banderolen, lässt sich den Kfz-Schein zeigen. „Sie können eine Selbstanzeige machen“, rät er mit Nachdruck und bezweifelt die Geschichte von der Herkunft des Geldes. „In zwei, drei Tagen geht unsere Kontrollmitteilung an die zentrale Finanzbehörde raus.“ Der Rest ist Nervensache: Das Essener Finanzamt für Steuerfahndung und Steuerstrafsachen informiert das zuständige örtliche Finanzamt. Die beiden Pforzheimer müssen mit weiteren Anfragen und Nachforschungen rechnen.

Die vier weißen Umschläge in Ernst Seidels Wagen bleiben unentdeckt. Der Rentner hat Glück, weil er an einem Tag ohne Kontrollen die grüne Grenze passiert. Auch er hätte die Herkunft des Geldes nicht glaubhaft nachweisen können, auch sein Finanzamt wäre informiert worden. Doch Seidel hat ein anderes Problem, das wurmt ihn schon lange: das Geldwäschegesetz. Was soll er mit all den Scheinen unterm Teppich anfangen? Sein Lieblingsbanker mit den vielen Tipps hat ihm geraten, immer mal wieder 2000 Euro aufs Konto einzuzahlen, am besten ungerade Beträge, das sei am unauffälligsten. Aber da bräuchte er ja ewig, um die zurückgeholten Summen wieder in den Geldkreislauf einzuspeisen.

Ausnahmsweise hört Seidel nicht auf seinen Banker, sondern auf einen Freund, einer, mit dem er früher immer Tennis gespielt hat und dem er traut. „Du hast eine niedrige Rente und hohe Freibeträge, so schlimm wird das nicht“, hat der gesagt und Seidel überzeugt, das mit den Heimlichtuereien zu beenden. Am besten gleich, denn ab 2015 würden deutlich verschärfte Regeln für geständige Steuersünder gelten.

So viele Selbstanzeigen wie noch nie zuvor

Den Schritt in die Steuerehrlichkeit gehen so viele Anleger wie nie zuvor. Sie wollen nicht riskieren, dass ihr illegales Sparmodell auffliegt. 35 000 Selbstanzeigen sind dieses Jahr bundesweit bei den Finanzämtern eingegangen, das ist Rekord im Reinen-Tisch-Machen. Die neuen Steuerstandards haben jede Menge Kundschaft in die deutschen Kanzleien getrieben. Der Sindelfinger Steuerexperte Markus Füllsack hat früher als Leiter der Straf- und Bußgeldstelle beim Finanzamt Stuttgart strafbefreiende Selbstanzeigen überprüft, heute verfasst er sie für seine Mandanten selbst. „Ich glaube, die wenigsten wissen, wie günstig sie davonkommen können“, sagt Füllsack, der in den letzten Jahren auch viele Rentner beriet. „Da sind dann meist weniger als zehn Prozent der Vermögenssumme weg“, doch die Befürchtungen seien vorab weit darüber hinausgegangen. „Wenn sie das gemacht haben, atmen viele auf“, sagt der Fachanwalt und weiß andererseits aber auch, dass die Finanzämter viel zu wenig Personal haben, um allen Steuerhinterziehern hinterherzuspüren. „In vielen Fällen reicht die Kapazität der Ermittler einfach nicht aus.“

Die Erleichterung spürt auch Ernst Seidel, es ist jetzt alles geregelt. Er hat mit seiner Frau ein Glas Sekt darauf getrunken. Ein paar Tausend Euro musste er an den Staat zahlen, das meiste haben sein Steuerberater und der Anwalt verdient. Sein Geld sei wieder weiß, sagt er und dass er sich die leckeren Makronen aus Luxemburg jetzt per Post schicken lasse.