Seit zwanzig Jahren zelebriert das Stuttgarter Wortkino Theaterkunst auf kleinstem Raum. Zum Jubiläum widmet sich die Westentaschenbühne einem gewichtigen Thema: Europa.

Stuttgart - In Stuttgarts Mitte findet sich ein Kleinod der Theaterkunst. In den ehemaligen Räumen der Galerie Edith Wahlandt, im Parterre der Werastraße 6, besteht seit nunmehr 20 Jahren das „Wortkino“. Ein gemütlich-atmosphärischer Ort, dessen kleiner, weiß gehaltener Bühnenraum etwa sechs Meter breit ist und an die zehn Meter tief. Der Zuschauerbereich ist mit seinen 43 Plätzen nur etwa halb so groß. Die Betreiber Hannes Eimert und Katja Ritter erzählen beim Besuch, von der Geschichte ihres Hauses, und wie „Wortkino“ und „Dein Theater“ zusammenhängen, dass sie zwar das Gleiche, jedoch nicht dasselbe sind.

 

Bereits 1984 gründete eine freischaffende Künstlerkooperative „Dein Theater – Theater auf Bestellung“ als Privattheater. Das Ensemble spielt sowohl in Gemeindesälen, als auch in Privaträumen oder im Gefängnis, „es gibt kaum einen Raum, in dem wir nicht gespielt hätten“, sagt Katja Ritter. In ganz Deutschland waren sie unterwegs, schon im Januar 1990 spielten sie in Ostdeutschland. Doch nach den ersten 15 Jahren wollten sie etwas anderes, „denn wenn man auf Bestellung spielt, muss man immer auf die Räume reagieren, was den Gestaltungsspielraum einschränken kann“, sagt Ritter.

Epik und Drama wirken zusammen

Mit dem Regisseur Friedrich Beyer gründeten sie dann 1999 das „Wortkino“ als feste Spielstätte. Beyer sei es gelungen, mit wenig Mitteln viel zu schaffen. Auf den Namen „Wortkino“ kamen sie wegen des gleichnamigen Bandes des Lyrikers Peter Maiwald.

„Was wir machen, ist eine Anlehnung ans Brecht’sche Theater“, sagt Ritter, bei der der Schauspieler erzählend auf der Bühne steht und Epik und Drama zusammenwirken – „alles läuft dann über die Sprache und das Theater entsteht so im Kopf des Zuschauers“, Kopfkino also, und ergänzt werden nur ein paar Zeichen, wie etwa Kleidung.

Heutzutage werden für das Visuelle auch mal Beamer eingesetzt. Zu sehen ist das zum Beispiel in der humoristischen Vorstellung „Amore am Ohre“, die am Nachmittag läuft und eine philosophisch-musikalische Auseinandersetzung mit der Liebe ist, und beim Publikum wahre Lachreize auslöst. An die Wände werden berühmte Gemälde projiziert und tauchen den Raum in bunte Farben.

Im Jubiläumsjahr 2019 ist Europa das große Thema im „Wortkino“, dem man sich den ganzen Mai über widmet. So spielen an diesem Donnerstag, dem Europatag, Gesine Keller, Martina Schott und Ella Werner eine Neuauflage ihres Stückes „Es ist dein Europa“. Darin singen die Figuren Europa und Polyhymnia gemeinsam Lieder in 31 Sprachen: etwa auf Serbisch, Norwegisch und Italienisch sowie auch auf Türkisch, Jiddisch und Romani. Das Schönste sei das Volkslied „The water is wide, I can’t get over“, sagt Katja Ritter – was sie für die Briten singen, die den Ärmelkanal nicht überqueren können.

„Dein Theater“ versteht sich als Thementheater. So zählen auch Stücke über die Ehe oder über Dichter, wie Wilhelm Busch, Josef Eberle alias Sebastian Blau und Dietrich Bonhoeffer zum Repertoire.

„Als Ensemble sind wir gemeinsam alt geworden, zusammengewachsen, jung geblieben“, sagt Hannes Eimert – und nach wie vor stehen das „Wortkino“ und „Dein Theater“ für gutes Handwerk.

Alternative zu Materialismus und Konsum

Die Zuschauer danken es, und so kommen im Jahr etwa 10 000 Besucher ins „Wortkino“, „bei den Außenterminen sind es an die 70 000“ sagt Katja Ritter. Viele kommen schon seit Jahren, sechs Mal die Woche wird gespielt. Der Kontakt untereinander ist sehr persönlich. Eine Frau hat sich beispielsweise dasselbe Stück immer wieder angeschaut und mittlerweile ist sie bei 46 Vorstellungen angelangt. „Die Leute kommen ins Theater, weil sie etwas brauchen, das sie erhebt, fort von der Materie und dem Konsum“, sagt Ritter.

Fragt man Hannes Eimert, was das Besondere am „Wortkino“ und „Dein Theater“ sei, so sagt er, es seien „die vielen unterschiedlichen Begegnung, die man hat. In den letzten 35 Jahren durfte man Land und Leute kennenlernen und damit auch das gesamte Spektrum unserer Gesellschaft“, und, „man muss sagen,“ ergänzt er: „wir haben einfach einen sehr schönen Beruf“.

Premiere: 9.5., 19 Uhr: „Es ist dein Europa – Zu unserem Glück vereint“ Weitere Vorstellungen: 10., 17., 19., 22. Mai