Bisher ist Googles Datenbrille nicht aus den Startlöchern gekommen. Das einst auf dem Laufsteg in New York präsentierte High-Tech-Gerät soll nun für kommerzielle Nutzer attraktiver werden – etwa für Lagerarbeiter, die keine Hand frei haben.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Computerfreaks ohne Techno-Spielzeug auf der Nase? Diese Tatsache hat Anfang dieser Woche das US-Internetblog Singularity Hub ins Grübeln gebracht. Gleich auf mehreren Hightech-Konferenzen der jüngsten Zeit machte dessen Technologiereporter eine seltsame Beobachtung: „Dort hätten Nutzer der Brille bemerkbar sein müssen – aber sie waren auf bemerkenswerte Weise abwesend.“

 

Das klobige Gerät wird modischer

Es ist ruhig geworden, um das im April 2012 erstmals der Öffentlichkeit präsentierte Gerät. Google hat im Sommer diesen Jahres versucht, der bisher klobigen Brille einen freundlicheren Anstrich zu geben. Zwei Jahre nachdem sie auf dem Laufsteg der New Yorker Modewochen zusammen mit dem Google-Gründer Brin die Datenbrille präsentiert hatte, hat die Modedesignerin Diane von Fürstenberg nun tatsächlich eine Brillenkollektion lanciert, die demonstrieren soll, dass ein Minirechner sogar eine Sonnenbrille schmückt.

Seit April 2013 sind Brillen für Entwickler verfügbar und im Mai 2014 hat Google in den USA und Großbritannien einen limitierten Vertrieb für eine so genannte Betaversion gestartet. Doch für den globalen Verkaufsstart gibt es keinen Termin. Selbst für die Technikelite scheint die Brille kein Statussymbol mehr zu ein. Auf E-Bay, meldet die Nachrichtenagentur Reuters, seien von Google für 1500 Dollar ausgegebene Testgeräte zum halben Preis erhältlich.

Google auf der Suche nach neuer Verkaufsstrategie

Google sucht inzwischen nach einer neuen Strategie. Anstatt ein Lifestyle-Symbol zu sein, soll Google Glass für Unternehmen attraktiver werden. Anfang Dezember kündigte der Konzern eine Partnerschaft mit dem Prozessorenhersteller Intel an, um die Leistungsfähigkeit des Minicomputers am Brillengestell zu steigern. Google Glass soll zum Werkzeug für Menschen werden, die bei der Arbeit beide Hände voll zu tun haben – aber gleichzeitig mit Informationen versorgt werden müssen. Das können Warenhausmitarbeiter sein oder auch Ärzte oder Krankenschwestern, denen es so erspart bleiben soll, den Tabletcomputer herauszukramen. Google hat schon Mitte des Jahres ein Projekt unter dem Titel „Glass at Work“ gestartet. Der Flugzeugbauer Boeing und die US-Restaurantkette Taco Bells testen bereits kommerzielle Apps für die Brille – und ganz nebenbei auch das nepalesische Militär. Google macht Abnehmern in der Wirtschaft die Brille mit Rabatten schmackhaft.

Die Brille als Android-Plattform

Bisher hinkt Google bei kommerziellen Anwendungen seines auch bei der Datenbrille verwendeten mobilen Betriebssystems Android hinterher. Konkurrenten wie IBM oder Apple haben dort die Nase vorn. Die Datenbrille als Pionierprodukt für Firmenkunden – das würde ihr einen strategischen Sinn geben. Googles Schwenk kommt keinen Augenblick zu früh. Auf dem Konsumentenmarkt scheint das Image der Datenbrille schon vor dem Start ruiniert. Pech für Google, dass es sein Gerät zu einem Zeitpunkt lancierte, als sich auch in den USA die Diskussion um das Thema Privatsphäre intensivierte. Insbesondere die eingebaute Kamerafunktion hatte schnell den Ruf weg, ein Werkzeug für Schnüffler und Voyeure zu sein. Im amerikanischen IT-Milieu gehört es inzwischen zum guten Ton, die unmittelbare Zukunft von Google Glass in düsteren Farben zu malen.

„Vier Gründe warum Google Glass tot ist“, titelte jüngst das Technologieblog Motley Fool – und nannte als erstes die Konkurrenz der von Apple bis Samsung angebotenen tragbaren Geräte. Smartuhren und Datenarmbänder könnten deutlich diskreter als die Brille die Funktion eines zweiten Smartphonebildschirms erfüllen. Innovative Minikameras etwa des Herstellers Go Pro erlaubten andererseits unauffällige Videoaufnahmen ohne so aufdringlich zu wirken wie die Brille. Selbst die Modekollektion der Diane von Fürstenberg wird als Verzweiflungsakt gedeutet. Zudem hat eine Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters ergeben, dass sich einige App-Entwickler und Kooperationspartner inzwischen von dem Projekt abwenden – am prominentesten im Fall von Twitter..