Nicht jedes Risiko lässt sich vermeiden, aber es gibt einige einfache Grundregeln für den Alltag. Der Chaos Computer Club rät auch Eltern, ihren Kindern das sichere Surfen zu erklären. Am Samstag gibt der Club Tipps bei einer Cryptoparty in Stuttgart.

Leben: Ricarda Stiller (rst)

Stuttgart - Seit dem vergangenen Jahr ist es Lehrern in Baden-Württemberg verboten, mit ihren Schülern via Facebook, Google+ oder Twitter schulische Angelegenheiten zu besprechen oder zu organisieren – es lässt sich nicht mit deutschem Datenschutzrecht vereinbaren. Beim Chaos Computer Club Stuttgart (CCCS) wundert man sich darüber, dass so etwas überhaupt explizit verboten werden muss. Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein, sagen Andrea Wardzichowkski und Stefan Schlott, die im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung erläutern, wie man sich auch als ganz normaler Nutzer von Computern, Tablets und Smartphones im Internet zumindest grundlegend etwas besser vor zu hohen Kosten, Kriminalität oder Verletzung der Privatsphäre schützen kann.

 

Nicht nur an Schulen, auch beispielsweise bei Vereinen erleben die CCCS-Mitglieder oft ein wenig sensibles Verhalten mit Blick auf das Recht am eigenen Bild oder den Schutz der Privatsphäre. Sportvereine machten es Stalkern häufig besonders leicht, Fotos von Kindern zu finden. Diese landeten massenhaft im Netz – ohne dass dabei jemand bedenkt, was für Konsequenzen das haben könnte. Bilder würden oft sogar ohne Einverständnis der Abgebildeten und mit vollem Namen eingestellt.

Fällt das Leichtathletik- oder Fußballtraining aus, gebe es meist keine Telefonketten mehr – alles laufe über WhatsApp oder andere Netzwerke, ärgert sich Andrea Wardzichowski. Daran stört die Datenschützerin nicht nur die Tatsache, dass die Daten in diesen Netzwerken nicht sicher sind, sondern auch dass davon ausgegangen werde, dass jeder unbegrenzt Zugang zum Internet habe.

Zwar sind einer aktuellen Studie des Branchenverbandes Bitkom und des Marktforschungsinstitutes Forsa zufolge tatsächlich 94 Prozent aller zehn- bis elfjährigen Kinder im Netz, doch sind diese im Umgang mit ihren persönlichen Daten oft nicht geschult. Auch Eltern und Lehrern fehlt es häufig an Medienkompetenz – bisher ist es im Lehrplan auch noch kaum vorgesehen, dass diese Fähigkeit an Schulen vermittelt wird. Aus diesem Mangel ist ein bundesweites Projekt des Chaos Computer Clubs entstanden: „Chaos macht Schule“.

Schon in der Grundschule sind viele Kinder online

In dem Projekt geht es darum, Fachwissen der CCCler Kindern und Jugendlichen näherzubringen – angefangen bei generellen Gefahren im Internet über die Fallstricke in sozialen Netzwerken wie Facebook bis hin zu strafrechtlichen Aspekten wie der Verletzung des Urheberrechtes oder des Rechts am eigenen Bild.

Was ebenfalls in der Bitkom-Studie herauskam: im Alter von zwölf Jahren haben bereits die meisten ein eigenes Smartphone und mit 14 Jahren ist ein Großteil der Jugendlichen in sozialen Netzwerken unterwegs. Erstaunlich ist, dass schon 39 Prozent der Sechs- bis Siebenjährigen regelmäßig online sind. Der Branchenverband gibt hinsichtlich des Ergebnisses dieser Studie nun die Empfehlung, dass schon ab einem Alter von acht Jahren den Kindern schrittweise Medien- und Internetkompetenz vermittelt werden sollte.

Dabei sollten Aspekte wie Privatsphäre, Urheberrecht, Abmahnungen und Abofallen ebenso angesprochen werden wie der Umgang mit Pornografie und Gewalt. Ebenso sollten laut Bitkom sexuelle Belästigung und Mobbing thematisiert werden. Zudem müsse man sowohl Eltern als auch älteren Geschwistern deutlich machen, dass sie es sind, die den Kindern einen verantwortungsvollen Umgang mit der Technik und den Online-Inhalten vermitteln.

Die heutigen Schüler gehören zu den Digital Natives. Das bedeutet, dass sie mit der neuen Technik und dem Internet ganz selbstverständlich aufwachsen. Einrichtungen wie Kindergärten oder Schulen sind jedoch von der schnellen Entwicklung und Verbreitung überrollt worden und noch nicht flächendeckend darauf eingestellt, den Kindern Medienkompetenz zu vermitteln. Daher ist es von großer Bedeutung, dass zu Hause ein vernünftiger Umgang mit Geräten und Inhalten beigebracht wird.

Fünf Tipps des CCC-Experten für den Alltag

Wer Computer- und Internetsicherheit wirklich ernst nehmen möchte, müsste sich damit so intensiv beschäftigen, dass es vom Zeitaufwand einem Hobby gleichkäme, sagt der Stuttgarter Software-Entwickler und Sicherheitsexperte Stefan Schlott. So wie manche den Modelleisenbahnbau als Hobby betreiben, könne man es auch mit der Internetsicherheit halten. Denn absolute Sicherheit und Benutzbarkeit schließen sich in der Regel aus. Es ist aber auch die Frage, wie schwer man sich das digitale Leben machen möchte. Daher gibt der promovierte Informatiker und CCCS-Referent Tipps für den normalen Anwender im Internet-Alltag:

1. Zunächst einmal müsse man sich die Frage stellen, wogegen man sich eigentlich schützen wolle, sagt Stefan Schlott. Aus der Elternperspektive seien dies beim ersten Handy oder Smartphone für die Kinder an oberster Stelle zu hohe Kosten, die vermieden werden sollen. Entscheidet man sich für einen Prepaid-Vertrag, was sich empfiehlt, so dürfe etwa die Option der automatischen Aufladung auf keinen Fall gewählt werden. Auch wenn vielleicht nur in 10-Euro-Schritten aufgeladen wird – das könne mehrmals am Tag passieren. Zu achten ist also auf eine finanzielle Deckelung.

2. Die nächste Kostenfalle lauert bei den Apps, sagt Stefan Schlott. Wer dem Nachwuchs Zugang zu seinem App-Store samt hinterlegter Kreditkarte ermögliche, könne bei der nächsten Kreditkartenabrechnung eine böse Überraschung erleben. Daher sollte der Einkauf im App-Store grundsätzlich passwortgeschützt sein oder – besser noch – über Prepaid-Karten abgewickelt werden. Richtig gefährlich seien sogenannte In-App-Einkäufe. Diese funktionierten beispielsweise so: zunächst lädt man sich etwa ein Spiel kostenfrei auf das Smartphone. Handelt es sich dabei um ein „Freemium-Spiel“, ist es besonders pikant. Denn erst einmal lässt es sich damit kostenlos (Free) spielen. Später jedoch, wenn es darum geht, im Spiel weiter zu kommen, müssten gegen Bezahlung (Premium) Dinge hinzugekauft werden.

3. Ebenfalls zu Vorsicht rät Schlott beim Herunterladen und Installieren von Apps, die es auf das Datenschnüffeln abgesehen haben. Beim weit verbreiteten Android-Betriebssystem für Smartphones und Tablets sei es immerhin so gelöst, dass der Anwender vor der Installation darauf hingewiesen wird, auf welche Daten und Dienste die App Zugriff haben möchte. Man kann also immer noch die Installation abbrechen, wenn beispielsweise die Taschenlampen-App Zugriff auf das Adressbuch haben möchte.

4. Unglücklicherweise gibt es auch Anwendungen, die neben einer legitimen Verwendung von Daten diese für einen sogenannten Zweitnutzen missbrauchen – beispielsweise eine Adressbuch-Anwendung, die für ihre normale Funktion natürlich Zugriff auf das Adressbuch benötigt, im Hintergrund aber die Adressdaten zu einer möglicherweise missbräuchlichen Verwendung an den App-Hersteller weiterleitet. Hier hilft leider nur Umsicht und gesunder Menschenverstand, um den Drang, alles Neue immer sofort auszuprobieren, ein wenig zu zügeln.

5. Weitere praktische Tipps für einen sicheren Rechner und für eine sichere und Abhörsichere Kommunikation werden am Samstag bei der Cryptoparty (siehe nächste Seite) gegeben.

Praktische Hilfe bei der Cryptoparty

Termin
Die Stadtbibliothek Stuttgart veranstaltet am Samstag von 15 bis 19 Uhr die zweite Cryptoparty in Zusammenarbeit mit dem Chaos Computer Club Stuttgart (CCCS). An sechs Stationen können sich die Besucher mit Mitgliedern des CCCS austauschen.

Stationen
Die sechs Stationen sind: 1. Einführung, 2. Surfen, 3. Mailverkehr, 4. Chat, 5. Smartphone und 6. Sonstiges. Bei der ersten Cryptoparty im Februar war das Interesse an der Station „Surfen“ besonders groß. Wer sein eigenes Gerät mitbringt, kann Tipps sofort ausprobieren.

Besucher
Die Veranstaltung richtet sich an alle Interessierten. Auch Besucher, die spontan vorbeischauen, haben die Möglichkeit sich über sichereres Surfen oder Verschlüsselungsmöglichkeiten zu informieren. Getränke können an der Bar im Untergeschoss gekauft werden.