Der VfB Stuttgart erfüllt zahlreiche Voraussetzungen, den sportlichen Wiederaufstieg angehen zu können. Das allein wird aber nicht reichen, kommentiert unser Autor Dirk Preiß.

Sport: Dirk Preiß (dip)

Stuttgart - Eine Woche nach dem Abstieg aus der Fußball-Bundesliga hat der VfB Stuttgart den Blick endgültig nach vorne gerichtet – und dabei am Sonntagmorgen Handlungsfähigkeit signalisiert. Alle Posten – teils neu – besetzt, der finanzielle Schaden kalkulierbar, die neue Mannschaft am Entstehen – und viele wichtige Partner überzeugt, trotz des sportlichen Totalschadens im Boot zu bleiben. All das ist so wichtig wie löblich und könnte dem Club im Rennen um den Wiederaufstieg die entscheidenden Vorteile gegenüber der nicht minder prominenten Konkurrenz bringen.

 

Ein anderes Wort, das seit mehreren Tagen die Runde macht rund ums rote Clubheim, ist: Geschlossenheit. Und zwar so oft, dass einen die Sorge umtreiben kann, ob bei diesen ganzen Ich-stütze-dich-dann-stützt-du-mich-Spielchen nicht eines auf der Strecke bleibt: Die ehrliche Diskussion um die personelle und strukturelle Ausrichtung des Vereins in Anbetracht der erneuten sportlichen Krise – trotz riesiger Investitionen.

Kulturwandel ist nötig

Der Ankerinvestor stützt AG-Vorstand und Präsident. Der Aufsichtsrat steht zu Vorstand und Clubchef. Der Präsident wähnt das Gros der Mitglieder und Anhänger hinter sich. Der Sportvorstand dankt dem Aufsichtsratsvorsitzenden – und selbst der neu hinzugekommene Sportdirektor wirft sich vor den Präsidenten. Die Kernaussage all dessen: Schön, dass wir uns haben. Aber ist das der neue kritische Geist in der Aufarbeitung der Krise? Das Signal der schonungslosen Selbstkritik?

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Keine Frage, Geschlossenheit ist wichtig, ein Rücktritt kein Allheilmittel. Der VfB Stuttgart aber muss aufpassen, unter dem Schleier der Einigkeit den unbedingt nötigen Kulturwandel nicht aus den Augen zu verlieren. Wer ist der Mahner – auch in erfolgreichen Zeiten? Wer ist der Hinterfrager – auch der Entscheidungen der geschätzten Kollegen? Wer ist der nervende Kritiker, dem jeder Stillstand zuwider ist? Wo ist der unbequeme Geist, der im Schulterklopfen den ersten Schritt zur Selbstzufriedenheit sieht? Wo ist dieser Spirit, der all dies vereint, was erfolgreiche Systeme zu solchen macht?

Ein Rücktritt ist kein Thema

Einen Rücktritt schließt Wolfgang Dietrich weiter aus; es ist sein Recht, sich der Mitgliederversammlung am 14. Juli zu stellen. Andererseits agiert er nach wie vor eher weniger wie ein ehrenamtlicher Präsident und Oberaufseher, sondern wie ein nahezu allmächtiger Konzernchef. Kein Wunder also, dass er eine Erweiterung der vorhandenen Struktur etwa um einen Vorstandsvorsitzenden weiter bewusst vor sich herschiebt.

Doch wäre ein solcher Posten die Lösung aller VfB-Probleme? Sicher nicht allein. Aber eine Diskussion darüber wäre ein wichtiger Schritt – wenn sie offen, schonungslos und selbstkritisch geführt wird.