Bis Ende des Jahres werden die letzten Blauhelmsoldaten aus Mali abgezogen sein.

Schließlich ging es blitzschnell. Weniger als eine Dreiviertelstunde brauchte der UN-Sicherheitsrat am vergangenen Freitag in New York, um die „Multidimensionale integrierte Stabilisierungsmission“ der Vereinten Nationen in Mali (Minusma) zu Grabe zu tragen: Einstimmig beschlossen die 15 Mitglieder des Rats die Abwicklung der tödlichsten und umstrittensten Mission des Staatenbunds bis Ende dieses Jahres. Mehr als 300 Blauhelmsoldaten mussten während des zehnjährigen UN-Einsatzes in dem westafrikanischen Staat ihr Leben lassen – die Frage ist: Wozu?

 

Hätten die fast 22 Millionen Malier und Malierinnen über die Zukunft der Friedensmission zu entscheiden gehabt, wären die Chancen für eine Fortsetzung Minusmas wesentlich größer gewesen. Doch auch beim Staatenbund entscheiden die Regierungen: Und Militärherrscher Assimi Goïta ließ keinen Zweifel an seinem Wunsch, dass die rund 15 000 Mitglieder der Mission „unverzüglich“ nach Hause geschickt werden. Auch wenn der Sicherheitsrat noch ein halbes Jahr für einen „geordneten“ Abzug herausschinden konnte: Spätestens dann wird in dem Unruhestaat ein gefährliches Vakuum entstehen, das die auf knapp 2000 Söldner geschätzte russische Wagnergruppe gewiss nicht füllen wird. Zu befürchten ist vielmehr, dass die für ihre Brutalität berüchtigte Truppe das Pulverfass vollends zur Explosion bringen wird.

Massaker in Moura löste Entsetzen aus

Einem ihrer Einsätze ist zu verdanken, dass die UN-Mission abgewickelt wird. Im März 2022 hatten russische Söldner mit malischen Soldaten das Städtchen Moura überfallen und mehr als 500 Menschen exekutiert. Das Massaker löste weltweites Entsetzen und eine Minusma-Untersuchung aus, die in ihrem im Mai veröffentlichten Bericht zu dem Schluss kam, dass gemeinsam mit „ausländischen Kämpfern“ operierende malische Soldaten für das Blutbad verantwortlich sind. Erzürnt warf die Militärregierung in Bamako der UN-Mission Spionage und eine Gefährdung der Sicherheit des Landes vor: Die von Minusma erhobenen Vorwürfe würden „den Frieden, die Versöhnung und den natürlichen Zusammenhalt der Bevölkerung“ zerstören. Seitdem wurde in Bamako das Ende der UN-Mission, der auch mehr als 1000 Bundeswehrsoldaten angehörten, mit Hochdruck betrieben.

Viel hatten die rund 13 000 Blauhelmsoldaten in ihrem zehnjährigen Einsatz nicht ausgerichtet. Wenn überhaupt, konnten sie höchstens der Bevölkerung in den Städten des Landes von der vierfachen Größe Deutschlands einen gewissen Schutz vor den Übergriffen islamistischer Extremisten bieten, in diesem Fall der mit Al-Kaida verbündeten Gruppe Jama’at Nusratul Islam wal Muslimin (JNIM) und dem Islamischen Staat in der Sahel-Provinz. Außerhalb der Städte war die Bevölkerung den Angriffen der Islamisten wehrlos ausgesetzt – vor allem, nachdem Frankreich seine Fremdenlegionäre im August 2022 vollends abzog. Sie hatten zehn Jahre lang die Islamisten bekämpft, die den Norden Malis mit Sezessionisten im Jahr 2012 besetzt gehalten hatten. Damals waren die französischen Soldaten noch als Befreier gefeiert worden.

Als sich abzeichnete, dass die Fremdenlegionäre die islamistischen Umtriebe nie wirklich stoppen würden, verschlechterte sich das Verhältnis zur einstigen Kolonialmacht: Hinzu kam, dass den Franzosen in der im Süden gelegenen Hauptstadt Bamako eine zu große Nähe zu den sezessionistischen Tuaregs im Norden vorgeworfen wurde. Das „Abkommen von Algerien“, das für Frieden zwischen den Tuaregs und Bamako führen sollte, erwies sich als zunehmend labil – und wird nach dem Abzug der vor allem im Norden stationierten Blauhelmsoldaten in akuter Gefahr sein.

Wagner-Söldner hielten Einzug

Die Enttäuschung über die Franzosen und der Aderlass der malischen Regierungstruppen führte im August 2020 zu einem Putsch der Militärs gegen die als frankophil betrachtete zivile Regierung: Die Offiziere präsentierten sich als „Retter der Souveränität“ ihres Landes. Kurz später bot sich die Wagner-Truppe als Freund der Militärs an: Deren Offiziere hatten noch aus Zeiten des Kalten Kriegs beste Beziehungen zu Moskau.

Die Ankunft der russischen Söldner änderte die Lage in Mali dramatisch. Paris zog sich verstimmt zurück, Bamako setzte seine Hoffnungen auf die Wagner-Gruppe und machte Minusma mit zahllosen Restriktionen das Leben schwer. Die Bundeswehrsoldaten durften kaum noch ihre Drohnen fliegen lassen: Wohl aus Furcht, sie könnten die Umtriebe der Söldner beobachten. Schon im vergangenen Jahr zeichnete sich ab, dass Minusma zum Scheitern verurteilt ist.

Fachleute sind sich einig, dass Malis Spannungen nur politisch zu lösen sind: Auch Paris musste einsehen, dass eine militärische Lösung gegen die Extremisten im Sahel ausgeschlossen ist. Indem er die russischen Söldner mit der Sicherung des Landes betraut, schlägt Militärherrscher Assimi Goïta die entgegengesetzte Richtung ein: In der Heimat Timbuktus zeichnen sich noch schlimmere Zeiten ab.