An der Somme, am 9. Oktober 1916: In Stuttgart liest Elisabeth Mann, wie sich die Höllenmusik des Krieges für die Soldaten an der Front anhört. In Frankreich tobt eine erbitterte Schlacht um jeden Meter.

Stuttgart - Fast meint ich manchmal, ich sei ein bisschen kugelfest. Wenn ich meine Runde machte und sonst wo herumwurstelte, da wo ich war, wurde grad nicht hingeschoßen. Vor meinem Unterstand am Zugang gabs an einem Morgen 1 Toten und 8 Verwundete, ich stand fast jeden Tag an derselben Stelle und nicht bloß zu Zeiten, wo grad nicht hergeschoßen wurde; beobachtete von dort alle die Angriffe, die von einer ganz beispiellosen und gar nicht beschreibbaren Heftigkeit waren.

 

Es ist der tollsten Fantasie unmöglich, sich eine solche Höllenmusik und das Schauspiel dazu auszumalen, wie es oft unsre Morgen- und Abendstunden ausfüllte. Jedes Geschütz hat seine eigene Melodie, für jede Entfernung des Einschlags und Abschusses ist das piano und forte des sausenden Geschosses allmählich dem Ohr vertraut und macht furchtsam oder lässt ruhig bleiben. Ich übersah das ganze über 800 m ausgedehnte Feld von meinem Stand bis zur anderen Stellung. Die ganze Fläche war von Rauch, Nebel und Gasschwaden bedeckt, durch den die Verwundeten mit der Gleichgültigkeit, die die überstandene Todesgefahr gibt, querfeldein aus der anderen Linie zurückmarschierten.

Dies alles ist noch fasslich, wenn es eine Stunde dauert; aber wenn es 3 Stunden und mehr ohne Pause fortgeht, lähmt einen der Wahnsinn fast und man bekommt einen überwältigenden Eindruck von dem Organisationsgenie der Engländer, die das alles in 2 Jahren erdacht, geplant und eingedrillt haben, die mit Ruhe ihre Reserven heranbringen und Stoß um Stoß mit Hartnäckigkeit führen. Über diesen Bildern schweben immer unbehelligt 10-12-20 ihrer Flieger, ob Sturm, ob Regen, und das ganze vergebliche Anrennen geht weiter. Vergeblich ist es.

Begleitend zur Serie gibt es die Geschichte von Elisabeth und Adolf Mann auch als Hörbuch.

Was zur gleichen Zeit passiert

Was zur gleichen Zeit passiert

Käthe Kollwitz notiert in ihrem Tagebuch, dass es ein schrecklicher Unsinn sei, wie die europäische Jugend gegeneinander rase. Sie sei überzeugt vom Unsinn des Krieges, und sie frage sich, ob man die Hingabe von Europas Jugend nicht benutzt habe, nur um einen Krieg zustande zu bringen? „Wann und wie wird das Aufwachen sein?