Die Stadt Stuttgart und die EnBW halten sich mit Kommentaren zu den Gesprächen zurück. Bisher hat die Verwaltung eine Paketlösung für unrealistisch erachtet. Der Ausgang ist offen.

Stuttgart - Die Stadt Stuttgart und die EnBW Baden-Württemberg haben sich nach Informationen unserer Zeitung entschlossen, eine politische Gesamtlösung anzustreben, anstatt noch Jahre lang vor Gerichten über die Übereignung von Energieversorgungsnetzen zu streiten und damit die Chancen zu verpassen, zeitnah Wohnungsbaupotenziale zu nutzen und die Energiewende und den Ausbau der E-Mobilität zu forcieren. Stadtsprecher Sven Matis bestätigte entsprechende Signale aus dem Rathaus. Es gebe einen Austausch mit dem Energieversorger, „um zahlreiche Themen zu einer Lösung zu bringen“. Für eine Prognose sei es noch zu früh, erste Schritte seien aber gemacht. Laut Konzernpressesprecher Hans-Jörg Groscurth sieht die EnBW in der Partnerschaft mit der Stadt „nach wie vor große Chancen“. Man sei „auf verschiedenen Ebenen im Dialog“.

 

Beide Parteien arbeiten seit Anfang 2014 bei der Verteilung von Strom und Gas zusammen. Die kommunalen Stadtwerke haben eine Mehrheit an der Eigentumsgesellschaft Stuttgart Netze GmbH, die Netze BW (früher EnBW Regional AG) ist Minderheitsgesellschafter. Bei der Betriebsgesellschaft ist es noch bis 2019 umgekehrt. Stuttgarts Erster Bürgermeister Michael Föll (CDU) hatte einer einvernehmlichen Kompromisslösung noch im Dezember eine Absage erteilt. Die Interessen seien sehr unterschiedlich, sagte er damals: „Den großen Deal wird es nicht geben.“ Er warnte sogar davor, die EnBW zu ermutigen, auf ein Einlenken der Stadt zu spekulieren. Es ging damals um den Ratsbeschluss, sich ein Vorkaufsrecht für das 4,2 Hektar große EnBW-Areal im Stuttgarter Osten an der Hackstraße zu sichern, um 600 Wohnungen zu schaffen, viele davon öffentlich gefördert.

Gespräche hinter verschlossenen Türen

Das Unternehmen will das Grundstück selbst entwickeln oder verkaufen. Im Rathaus heißt es, die EnBW habe versucht, die Ausschreibungsfrist vorzeitig zu beenden, um dem Satzungsbeschluss im Gemeinderat durch einen Verkauf zuvor zu kommen. Danach seien Verwaltungsspitze sowie CDU und Grüne zu einem Gespräch zusammen gekommen.

Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen brennt der Stadt unter den Nägeln, auch, weil die Entwicklung des Rosensteinviertels wegen der Verzögerungen von S 21 mindestens vier Jahre länger dauern wird. Der Energieversorger hat entlang der B 10 zwischen dem Leuzetunnel und dem neuen Gaszheizwerk hinter der Gaisburger Brücke Entwicklungspotenzial. Eine Machbarkeitsstudie zeigt auf, dass sich durch die Verschwenkung der Uferstraße (B 10) und einer Überdeckelung Wohnungsbaupotenziale ergeben würden. Außerdem könnte die Energiewende, die in Stuttgart wegen des ausbaufähigen Fernwärmenetzes vor allem eine „Wärmewende“ sein wird, Fahrt aufnehmen. Der Neckarpark wäre geeignet, bisher soll dort dem Abwasser Wärme entzogen werden.

Doch Finanzbürgermeister Föll hat nicht ohne Grund betont, es sei schwer, die verschiedenen Themen unter einen Hut zu bringen. Es geht auch ums Geld, teilweise liegen die Vorstellungen weit auseinander, und es bestehen grundsätzlich unterschiedliche Ansichten über Eigentum und Betrieb. So hat der Gemeinderat auf die Herausgabe des Fernwärmenetzes geklagt, das der Energiekonzern in Stuttgart kräftig ausbaut. Nach einem Urteil des Landgerichts ist die Netze BW GmbH verpflichtet, die Strom- und Gasverteilungsanlagen (Hochspannung und Hochdruck) – mit Ausnahme der Durchgangsleitungen – auf den städtischen Betrieb zu übertragen; diese Anlagen seien notwendig, damit die Stuttgart Netze GmbH ihre Versorgungsaufgaben im Strom- und Gasbereich ebenso erfüllen kann wie früher die EnBW. Nicht entschieden ist, welche Leitungen zu welchem Preis übergeben werden sollen. Ein Gang vor den Bundesgerichtshof schien unabwendbar.

Streit über Wassernetz zieht sich

Noch einige Jahre könnte sich auch der Streit über den Preis des Wasserverteilnetzes hinziehen. Zuletzt hatte der EnBW-Aufsichtsrat einen Vergleichsvorschlag des Landgerichts von 280 bis 290 Millionen Euro abgelehnt. Er war damit einer Entscheidung des Vorstandes gefolgt, der den Wert bei 480 Millionen Euro ansetzt. Der Gemeinderat hatte dagegen Verhandlungen auf Basis des Vergleichsvorschlags befürwortet. Ursprünglich waren nur 140 bis 160 Millionen Euro geboten worden. „Wir sind weiter vergleichsbereit“, sagte Christoph Müller, Geschäftsführer der Netze BW. Die Stadt hat für das Projekt 110 Millionen Euro zurückgelegt. Ein Erwerb könnte wohl aber auch über die Holding SVV erfolgen, die dreistellige Millionenbeträge in Fonds angelegt hat. SPD-Fraktionschef Martin Körner hatte seinerzeit an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) appelliert, sich für eine politische Lösung zwischen dem zu etwa 47 Prozent in Landesbesitz befindlichen Versorgers und der Stadt einzusetzen.

Neben Strom, Gas, Wasser und den Grundstücken sind Stadt und EnBW auch bei der Gebühr für die Verbrennung von Restmüll in der heute überdimensionierten Anlage in Münster unterschiedlicher Meinung. Der städtische Abfallwirtschaftsbetrieb (AWS) will weniger bezahlen, wenn er eine geringere Menge anliefert, was bald der Fall sein wird, wenn in Stuttgart der Biomüll flächendeckens extra gesammelt und in einer neuen Anlage in Energie und Wärme umgewandelt wird. Bis 2024 müsste der AWS selbst dann für 110 000 Tonnen bezahlen, wenn er nur 96 000 anliefert. Schon heute sammelt der Eigenbetrieb Müll anderer Kommunen, um auf die bezahlte Menge zu kommen.