Finanzkrise, Bankenregulierung, Finanzplatz Stuttgart: Über diese Themen diskutierten am Donnerstag Unternehmer und Finanzmanager auf Einladung der Stuttgarter Zeitung in der Veranstaltungsreihe „Die Zukunft der Region“.

Stuttgart - Die 2008 voll ausgebrochene und noch immer nicht ausgestandene Finanzkrise hat viele Menschen schockiert. Haben sich die Banken seit den schlimmsten Exzessen des Turbofinanzkapitalismus geläutert – und werden sie ihrer genuinen Verpflichtung, Diener der Realwirtschaft zu sein, wieder gerecht? Einiges spreche dafür, dass die Institute in der Region Stuttgart diese Rolle ausfüllen, stellte der StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs zu Beginn der Podiumsdiskussion, zu der die Stuttgarter Zeitung und Roland Berger Strategy Consultants am Donnerstag Abend eingeladen hatten, als These in den Raum. Hans-Jörg Vetter, der Chef der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), legte die Latte eingangs sogar noch höher: „Banken, die für Unternehmen keinen Nutzen stiften, haben langfristig keine Daseinsberechtigung“, sagte Vetter und fügte selbstbewusst hinzu: „Daran lässt sich die LBBW messen.“

 

Damit lieferte der Chef des heimischen Platzhirsches freilich Georg Fichtner, der als IHK-Präsident für die regionale Wirtschaft in ihrer ganzen Vielfalt spricht, eine Steilvorlage. Insgesamt, so konstatierte Fichtner, sei die Partnerschaft zwischen Betrieben und Banken intakt. Dennoch: die Banken müssten sich weiter bemühen, Vertrauen zurückzugewinnen. Baden-Württemberg sei schließlich das Land der Erfinder. Auch kleine Unternehmen, die technische Glanzleistungen hervorbringen, müssten bei den Geldhäusern eine Chance haben, Kredite zu bekommen und dürften nicht an bürokratischen Hürden scheitern. Fichtner konnte sich eine Spitze an die Adresse der Kreditinstitute nicht verkneifen: „Alle, die früher wussten, wie mein Geschäft geht, haben ihr eigenes offensichtlich nur teilweise verstanden“, sagte der Chef eines international tätigen Ingenieurbüros.

Der schwarze Peter liege nicht allein bei den Banken

Er schob den schwarzen Peter wegen der seiner Meinung nach teilweise zu hohen Hürden bei der Kreditvergabe nicht alleine den Banken zu. Die Politik sei übereifrig, was Regulierungsmaßnahmen angehe. Dadurch verteuerten sich Kredite unangemessen stark und gerade Existenzgründer hätten mit unnötig komplizierter Bürokratie zu kämpfen. Alexander Erdland, der Vorstandsvorsitzende des W&W-Finanzkonzerns, pflichtete ihm bei. Die rechte Balance zwischen notwendiger Regulierung und schädlicher Überregulierung sei in Europa noch nicht gefunden worden. Die Wüstenrot & Württembergische AG müsse inzwischen etwa die Hälfte ihres jährlichen Investitionsvolumens dafür aufwenden, um alle geforderten Regulierungsmaßnahmen umzusetzen. Dieses Geld sei früher direkt und indirekt zum Wohle der Kunden eingesetzt worden.

LBBW-Chef Vetter sieht die Entwicklung nicht ganz so kritisch. 80 Prozent aller diskutierten regulatorischen Maßnahmen seien richtig, urteilte er. Sie stellten einen eklatanten Missstand ab, nämlich dass ganze Volkswirtschaften von einer Bank oder einem Unternehmen erpressbar seien. Was Vetter ärgert, ist etwas anderes: Die Politik müsse auch ehrlich sagen, dass die schärfere Regulatorik ihren Preis habe. „Heute brauchen wir das Vierfache an Eigenkapital, um noch 70 Prozent des Geschäftes machen zu können, was wir vor der Finanzkrise gemacht haben“, stellte er klar. Zwangsläufig stiegen so die Preise für Bankdienstleistungen. Sorgen, dass die LBBW wegen der anspruchsvollen Vorgaben von Basel III weniger Kredite vergeben könne als bisher, müsse sich von den Firmenkunden niemand machen, betonte Vetter. Durch ihre Schrumpfkur habe die Landesbank in enormem Umfang Kapital freigesetzt, das nun ihrer Kundschaft zur Verfügung stehe.

Doch sind die Bankdienstleistungen auch immer passgenau auf die Bedürfnisse der Hightech-Mittelständler, die Geschäfte von Singapur bis Mexiko machen, zugeschnitten? Frank Heideloff, Senior Partner bei Roland Berger, hat diese Erfahrung nicht durchweg gemacht. Seiner Beobachtung nach gibt es gerade bei den stark wachsenden mittelgroßen Unternehmen Defizite bei der Versorgung mit Bankdienstleistungen. Betriebe mit einem Jahresumsatz zwischen 50 und 250 Millionen Euro hätten im Grund so komplexe Anforderungen wie globale Konzerne. Die Banken selektierten aber in diesem Kundensegment zu stark, einige dieser „versteckten Weltmeister“ blieben zu Unrecht auf der Strecke. „Bei komplizierten Geschäftsmodellen kann es eng werden“, sagte Heideloff.

Stuttgart muss sich nicht hinter Frankfurt verstecken

Auch Thomas Spitzenpfeil, der Finanzchef von Carl Zeiss in Oberkochen, sieht an einigen Stellen noch Verbesserungsbedarf, den die Akteure am hiesigen Finanzplatz angehen sollten. Stuttgart müsse sich, was kundenbezogene Finanzdienstleistungen angeht, zwar nicht hinter Frankfurt oder sogar London verstecken. „Ich finde hier alle Ansprechpartner, die ich brauche“, sagte Spitzenpfeil. Er wünsche sich aber, dass die hiesigen Anbieter noch stärker auf ihre weltweit agierende Kundschaft eingingen. Etwa beim Thema internationaler Zahlungsverkehr gebe es noch Verbesserungsmöglichkeiten. Auch IHK-Präsident Fichtner nannte Defizite, die er sieht: Bei Projektfinanzierungen könnten Banken oder Bankenpools „viel mehr machen“, sagte Fichtner. Dem Unternehmensberater Heideloff war das alles zu bescheiden. „Machen Sie die LBBW zur Nummer Zwei unter den deutschen Banken“, appellierte er an die Diskutanten.