Endlich ist „Allen vs. Farrow“ bei RTL+ zu sehen. Der Doku-Vierteiler arbeitet klar parteiisch die Missbrauchsvorwürfe gegen Woody Allen auf.

Stuttgart - Endlich mal Klarheit zu erlangen in der seit Jahrzehnten vor sich hin schmorenden Affäre um die Kindesmissbrauchsvorwürfe gegen den Filmemacher Woody Allen: Das wäre wirklich toll. So schlug denn dem Doku-Vierteiler „Allen vs. Farrow“, der im Februar in den USA beim Kabeldienst HBO zu sehen war, viel Grundsympathie entgegen. Von dem erfahrenen, unter anderem mit zwei Emmys gewürdigten Doku-Team Amy Ziering und Kirby Dick durfte man doch wohl Aufklärung erwarten über das, was 1992 als Teil eines bitteren Trennungskampfs zwischen Allen und Mia Farrow in Form von Behauptung und Gegenbehauptung an die Öffentlichkeit gelangte.

 

Schwerer Stand für Zweifler

Nun ist die Serie endlich auch in Deutschland zu sehen, beim Streamingdienst RTL+. Und man kann ein bisschen besser verstehen, warum die Stimmung im Frühjahr noch weiter gegen Woody Allen kippte, warum diejenigen, die auf Zweifel, Bedenken und Widersprüche hinwiesen, wie verbohrte Reaktionäre dastanden, die partout keinem Opfer gegen das Wort eines Täters glauben wollten. Allens Adoptivtochter Dylan Farrow, mittlerweile 36, tritt hier prominent und eindrucksvoll auf und berichtet vom Missbrauch, den Allen an ihr begangen habe, als sie sieben Jahre alt war.

Was man dabei leicht vergessen kann: Es geht eben nicht darum, ob Dylan Farrow glaubwürdig wirkt. Es geht um die komplizierte Frage, ob eine verbitterte und wütende Mia Farrow damals, als Allens Liebesbeziehung zu ihrer Stieftochter Soon-Yi aufflog, ihrer Adoptivtochter Dylan – und sich selbst – einen Missbrauch eingeredet haben könnte. Ob durch Farrow und ihr Umfeld eine solche Prägung stattgefunden hat, dass die manipulierte Erinnerung für Dylan so traumatisierend wirkt wie ein reales Geschehen.

Die Trickkiste wird ausgeräumt

Wer das entgegen anderer Beispiele für dieses Phänomen grundsätzlich nicht für möglich hält, ist fein raus und kann Allen nun für überführt halten. Wer das allerdings für möglich hält, dem will „Allen vs. Farrow“ mit den feinsten Instrumenten des Filmemachens Woody Allen doch noch als Täter suggerieren.

Nüchtern wertend ist dieser Vierteiler nämlich nicht. Subtil wird von Anfang an Stimmung gegen Allen aufgebaut. Es beginnt mit einer Pressekonferenz – öffentlichem Trubel –, auf der er sich gegen die Vorwürfe wehrt. Dann folgen Bilder der heilen Farrow-Familie – ein Idyll, solange er nicht im Bild ist. Sachte Musik plätschert romantisch zu Heimvideos, bis Allen zu sehen ist. Dann bricht die Musik ab, der nackte O-Ton lässt nun alles gröber wirken. Vier Stunden lang wird so alles aus der Trickkiste geholt. Wer das naiv schaut, dem wird Allen sehr schuldig vorkommen. Wer das kritisch schaut, hat damit noch lange keinen Beweis, dass Allen unschuldig ist.

Allen vs. Farrow. Beim Streamingdienst RTL+