Im militärhistorischen Museum in Dresden ist keine glitzernde Waffenschau zu bestaunen.

Dresden - Dies ist kein Wohlfühl-Ort, kein Ort der Erbauung. Hier wird der Besucher nicht mit wissenschaftlichen oder kulturellen Errungenschaften der Menschheit beglückt, nein, er sieht eine Ansammlung dessen, was der Vernichtung dient. Die Konfrontation mit den Ausstellungsobjekten löst beklemmende Gefühle aus und führt unweigerlich zu der Frage: Ist die Welt wirklich so böse? Es ist dieser Aufwühl-Faktor, der das militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden so besonders macht.

 

Die Museumsmacher weisen neue Wege - sie zeigen, dass Krieg unendlich viele Facetten hat. Da steht groß und mächtig und unheimlich die V2, die Rakete, die die Wehrmacht auf Großbritannien abfeuerte. Man blickt auf ein rostiges Rohr, Reste eines vor elf Jahren aus der Ostsee geborgenen U-Boots, in das sich einst zwei Mann pressen mussten. Ein Irrsinn. „Tatsächlich führte der Einsatz dieser U-Boote zu sehr hohen Verlusten bei geringen Ergebnissen“, heißt es im Begleittext. Ein Irrsinn auch die Drogen, mit denen Soldaten die Angst bei Einsätzen genommen werden sollte. An anderer Stelle ein Puppenhaus, mit dem ein Londoner Mädchen einst Verdunkelungsmaßnahmen nachahmte.

Es gibt auch Joschka Fischers Jackett zu bestaunen

Skurriles mischt sich mit Originellem - etwa ein Propaganda-Gemälde mit NVA-Soldaten beim Fahneneid, der Handwagen einer schlesischen Flüchtlingsfamilie, eine Waffel, die ein Junge pistolenförmig zurechtbiss, das dunkelblaue Jackett, das der Grünen-Politiker Joschka Fischer trug, als er beim Bielefelder Parteitag von einem Farbbeutel getroffen wurde. Und auch ein Münzfernsprecher, der in einer Bundeswehrkaserne den Soldaten den Kontakt zur Freundin oder zu Papa und Mama ermöglichte, ist zu bestaunen. Zu den Dokumenten aus der jüngsten Geschichte gehört ein in Afghanistan bei einem Sprengstoffanschlag halb zerstörtes Bundeswehrfahrzeug - daneben die Stimmkarten, mit denen im Bundestag der Einsatz am Hindukusch beschlossen wurde.

Die ausgetüftelte Positionierung verleiht den Objekten Wirkung. An langen Fäden hängen Bomben, die die Illusion vermitteln, als würden sie gleich einschlagen, ein Hubschrauber ist an der Wand im Sturzflug festgehalten. Nicht zu übersehen sind die 60 Schuhe aus dem Vernichtungslager Majdanek. Museumssprecher Alexander Georgi bringt die Besonderheit der Schau in Zusammenhang mit nicht erfüllten Klischees. Der Besucher erwarte eine glitzernde Waffenschau, Panzer und Kanonen, die Präsentation von Rüstungstechnik. „Aber dann sind sie vom neuartigen Ansatz überrascht, wie Militärgeschichte erzählt wird.“ Im Ausstellungsführer heißt es zur unkonventionellen Konzeption: „Das Museum thematisiert Gewalt als historisches, kulturelles und anthropologisches Phänomen. Unterschwellig geht es also um die Frage, ob Aggressivität möglicherweise in jedem Menschen angelegt ist.“

Es sind die Tiere, die für Kriegszwecke missbraucht wurden

Georgi berichtet von höchst unterschiedlichen Reaktionen: Die einen - die große Mehrheit - seien positiv überrascht, die anderen dagegen irritiert bis enttäuscht. Die Museumsmacher sehen sich jedenfalls auf dem richtigen Weg: Seit der Eröffnung am 15. Oktober wurden bereits rund 350 000 Gäste gezählt, der Tagesdurchschnitt pendelt sich bei etwa 1000 ein. Und vor welchen Ausstellungsstücken bleiben die Leute länger stehen? Bei dieser Frage muss Georgi nicht lange überlegen: Es seien die Tiere, die für Kriegszwecke missbraucht wurden. Da wird zum Beispiel ein mit Sprengstoff bepackter Hund gezeigt, bei dem auf dem Rücken ein Stab in die Höhe ragt. Eingesetzt wurde der Vierbeiner auf deutscher und russischer Seite bei der Panzerbekämpfung - er sollte drunterkriechen, und mit dem Umknicken des Hebels folgte die tödliche Explosion.

Es ist aber auch das Gebäude selbst, das das Museum so einzigartig macht. Architekt Daniel Libeskind lässt einen gewaltigen, von innen begehbaren Keil in das Gemäuer dringen - ein Symbol, dass die Welt nicht heil ist. Oben öffnet sich dem Besucher ein grandioser Blick auf die Dresdner Friedrichstadt, wo die ersten britischen Flugzeuge in jener apokalyptischen Bombennacht im Februar 1945 ihre Lichtmarkierungen abwarfen.

Die Perle an der Elbe funkelt schon längst wieder prächtig. In diesem Jahr feiert Dresden den 500. Geburtstag der „Sixtinischen Madonna“ des Malers Raffael - ein warmes Bild des Friedens in der Gemäldegalerie Alte Meister, ein wohltuender Kontrapunkt zur Präsentation des Schreckens im militärhistorischen Museum. Es gilt das Goethe-Wort: „Es ist ein unglaublicher Schatz aller Art an diesem schönen Orte.“

Infos zu Dresden

Anreise
Mit dem Auto aus Richtung Westen auf der A 4. Züge im Fernverkehr halten am Hauptbahnhof Neustadt ( www.bahn.de ). Dresden wird ab Stuttgart von Germanwings ( www.germanwings.com ) angeflogen, aus Frankfurt und München gibt es Verbindungen der Lufthansa ( www.lufthansa.com ).

Unterkunft
 Relais & Châteaux Hotel Bülow Palais, Königstraße 14, Zimmer: ab 125 Euro, www.buelow-residenz.de

Maritim Hotel Dresden, Devrientstraße 10-12, Zimmer: ab 110 Euro, www.maritim.de

Dorint Hotel Dresden, Grunaer Straße 14, Zimmer: ab 99 Euro, www.dorint.com

B&B Hotel Dresden, Zimmer: ab 46 Euro, Friedrichstraße 10-12, www.hotelbb.de/de/dresden

Militärhistorisches Museum
Dresden, Olbrichtplatz 2. Öffnungszeiten: Donnerstag bis Dienstag 10-18 Uhr, Montag 10-21 Uhr, Mittwoch geschlossen. Eintrittspreise: 5 Euro, ermäßigt 3 Euro, Montag ab 18 Uhr frei ( www.mhmbw.de).

Was Sie tun und lassen sollten
Auf keinen Fall Thüringer Rostbratwurst im Imbiss essen - entweder lauwarm oder zu lange auf dem Grill. Auf jeden Fall anschauen: das mondäne Villenviertel Blasewitz und die Brücke „Blaues Wunder“.