Sie stehen im Rampenlicht als Musiker, Schauspieler oder Politiker. Eine Ausstellung macht die Kunst öffentlich, die Promis privat produzieren – und die Abgründe offenbart.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Ist es ein gutes oder schlechtes Zeichen, wenn Politiker sehr vorsichtig sind? Anton Hofreiter scheint kein Risiko eingehen zu wollen – zumindest in seiner Freizeit. Die verbringt der Grünen-Politiker gern malend. Als Biologe hat er ein Herz für Blumen und Pflanzen, weshalb er gern Tulpen und Lilien malt oder bergige Landschaften mit Kakteen. Das Ergebnis ist so rührend zögerlich und hoffnungslos langweilig, dass kein Zweifel besteht: Hier ist ein Maler am Werk, der nichts falsch machen will.

 

Cro scheint im tiefsten Innern noch etwas pubertär zu sein

So ist es andererseits auch wieder mutig, dass Hofreiter seine Bilder nun in einer Ausstellung der Öffentlichkeit zeigt. Das NRW-Forum in Düsseldorf hat ein wahrlich ungewöhnliches Konzept gewagt, bei dem der malende Politiker in guter Gesellschaft ist: „Beyond Fame“ nennt sich die spannende Schau, die „die Kunst der Stars“ präsentiert, also von Promis stammt, die als Musiker, Model oder Politiker im Rampenlicht stehen und sich nebenher als bildende Künstler versuchen – mit mehr oder weniger überzeugenden Ergebnissen. Der Rapper Cro ist handwerklich gut dabei. Trotzdem wirken die gesichtslosen Frauen mit großen Brüsten in Pop-Art-Manier ziemlich pubertär.

Die düsteren Bilder von Tim Bendzko will man nicht im Wohnzimmer haben

In der Regel geht es in Kunstmuseen um Stile, Techniken, Epochen. Wenn man nun dagegen durch NRW-Forum schlendert, kann man kaum umhin, in den Werken nach Hinweisen über die Promis zu suchen – von den Werken auf deren Wesen zu schließen. Der Sänger Tim Bendzko hat in seinem Hit „Nur noch kurz die Welt retten“ schon angedeutet, dass wir weniger fürs Ego und mehr für die Welt tun müssten; sein malerisches Universum ist dagegen so düster, dass man Beklemmungen bekommen könnte. Oft überzieht er die Leinwand mit pechschwarzer Farbe in minimalen Strukturen. Dann wieder erinnern scharfe Linien an Lattenzäune oder Gitter. Diese abstrakten Kreationen wirken so leblos, eingezwängt und engstirnig, dass man sich fast Sorgen um den Seelenzustand von Tim Bendzko machen könnte.

Sexspiele der Päpste und Päpstinnen

Auch bei Lea Draeger kann man sich fragen, was sie angetrieben hat bei ihren Hunderten kleinen Zeichnungen. Die erfolgreiche Schauspielerin und Autorin ist auch eine talentierte Künstlerin und zeichnet obsessiv Szenen von Päpsten und Päpstinnen in abgründigen Situationen, die auf Missbrauch und Gewalt anspielen. Der Tennisspieler Michael Stich hätte es ohne Promifaktor sehr schwer, im Kunstbetrieb zu reüssieren. Dafür geht er mit viel Leidenschaft an seine großen Formate. Mal erinnert abstraktes Schwarz-Weiß an geknittertes Papier. Dann wieder deutet er mit wildem Strich Michelangelos berühmte „Erschaffung Adams“ mit den sich berührenden Fingern an. Kunst, sagt Stich, sei für ihn eine Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen und seine Gedanken und Emotionen zum Ausdruck zu bringen.

Post von der Kanzlerin wird zum Schmierpapier

Wenn Edi Rama ans Werk geht, ist das durchaus respektlos. Bevor er albanischer Ministerpräsident wurde, war er schon als Künstler tätig. Heute nutzt er für seine ornamentalen Spielereien gern Dokumente aus dem politischen Alltag und sogar ein Schreiben von Angela Merkel ist mit Zeichnungen übersät – nicht etwa auf der leeren Rückseite, sondern direkt auf der Nachricht der damaligen Kanzlerin.

Harald Glööckler inszeniert sich als Napoleon

Es sind ganz unterschiedliche Persönlichkeiten, die in dieser ungewöhnlichen Ausstellung plastisch werden: Der Musiker Peter Doherty hat E-Gitarren besprüht und schafft mit Fotos, Objekten, Zeichnungen einen wilden Kosmos, der von Drogen, Sucht und Düsternis erzählt. Harald Glööckler dagegen nutzt die Kunst, um sein Ego noch pompöser in Szene zu setzen, als er es schon mit seiner Mode und den Schönheitsoperationen tut. Er inszeniert sich auf einer Pferdeskulptur als Napoleon oder bei einer Büste als Barockfürst. Vor allem spritzt er gern mit literweise knalligen Farben auf Sofas, Lampen, Barockrahmen. Ein knallbuntes Spektakel, das von trauriger Geltungssucht erzählt.

Bryan Adams verrät wenig von sich – er ist ein durchaus professioneller Porträtfotograf, der viele Promis wie Kate Moss, Robbie Williams oder Billy Idol backstage abgelichtet hat. Zum Abschluss von „Beyond Fame“ wird das Publikum auf die Probe gestellt und muss selbst entscheiden, ob es sich um „echte“ Kunst handelt – oder ob diese verstörenden Aquarellgesichter von einem Promi stammen. Wer könnte hinter dem Pseudonym „Gedeon“ stecken? Die ersten Besucher sind beim Tippen schon eifrig aktiv gewesen; einige haben auf Tim Mälzer getippt, andere auf Jonathan Meese. Zumindest Letzterer wäre ja ein Profi.

Keine Trennung zwischen Hochkultur und Pop

Krise
2012 schlitterte das NRW-Forum in Düsseldorf in eine Krise, weil das Land Nordrhein-Westfalen überraschend seinen Zuschuss komplett strich. Inzwischen ist das Ausstellungshaus eine selbstständige gGmbH, die von der Stadt gefördert wird.

Konzept
Der künstlerische Leiter Alain Bieber will in seinen Ausstellungen nicht zwischen „hoher“ und populärer Kunst unterscheiden, sondern interessiert sich für breite gesellschaftliche Phänomen. „Beyond Fame“ ist bis 21. Januar zu sehen und Di bis So von 11 bis 18 Uhr und donnerstags von 11 bis 21 Uhr geöffnet. adr