Endlich erscheint auch in Deutschland „Farewell, my Lovely“ wieder fürs Heimkino. In dem hierzulande „Fahr zur Hölle, Liebling“ genannten Film spielt Robert Mitchum einen Privatdetektiv im Los Angeles der 40er. Die Dreharbeiten waren kein Zuckerschlecken.

Hollywood - Auch böse Buben werden älter. Der Schauspieler Robert Mitchum war in den 40er und 50er Jahren Hollywoods ungehorsamster Tunichtgut gewesen, ein lasziver Hüne, der Angeber unter den Tisch soff, Nervensägen verprügelte, Eheringe knackte wie ein Grünfink Hanfsamen und – apropos – zur Freude der Klatschpresse wegen Marihuanabesitzes von den Cops hochgenommen wurde. Mitte der 70er Jahre aber galt der coole Typ, der gern abfällig über Hollywood, die Schauspielerei und den Starrummel sprach, nur noch als Problemfall: chronisch schwierig im Umgang mit jedem, der versuchen musste, ihm Anweisungen zu geben; ab frühem Nachmittag verlässlich besoffen; ein zuverlässiger Verbreiter negativer Grundstimmung; zu alt, um noch richtig sexy zu sein und dementsprechend auch kein Zugpferd an der Kasse mehr. Kurzfassung: Finger weg von Bob Mitchum.

 

Trotzdem kamen noch Angebote herein. Von einem hätte wiederum nach allen Regeln der Branche Mitchum die Finger lassen sollen: von „Farewell, my Lovely – Fahr zur Hölle, Liebling“. Das war die Adaption eines Krimis von Raymond Chandler um den abgebrühten, zynisch redenden und idealistisch handelnden Privatdetektiv Philip Marlowe. Diese Figur war Popkultur vom Feinsten, im Kino hatte sie unter anderem Humphrey Bogart gespielt. Aktuell hatte der Regisseur Robert Altman sie in „The long Goodbye“ radikal verjüngt, in die Jetztzeit geholt und mit Elliott Gould mit einem modernen, ultra-coolen Schluri besetzt.

Alt und abgerockt

Elliott Kastner aber, dem Produzenten von „Farewell, my Lovely“, schwebte genau das Gegenteil vor: Der Film sollte ein „Period Piece“ werden, also das Los Angeles von vorgestern detailgetreu aufrufen, mit Hutträgern in Anzügen, deren Revers breit wie Landestreifen waren, mit Old-school-Leuchtreklamen, die wie die tränenverschmierte Schminke der abgerockten Stadt in der Nacht hingen, vor allem aber: mit einem Detektiv, der alt und müde wirkte, der das meiste hinter sich und nichts Gutes mehr vor sich hatte.

Mit dieser Rolle, hätte jeder gute Agent Mitchum warnen müssen, ruinierst du dir Image und Marktwert endgültig. Zum Glück gab es keinen guten Agenten – oder der chronisch bockige Mitchum hörte nicht auf ihn. „Farewell, my Lovely“ wurde sein letzter wirklich großartiger Film. Seine Variante von Marlowe ist je nach Geschmack entweder die beste Privatschnüfflerdarstellung aller Zeiten oder jedenfalls in den Top 3. In Deutschland ist das Werk jetzt endlich auf DVD und Blu-ray zu haben.

Ein vollgefurzter Anzug

So ganz sicher war sich Mitchum bei den Dreharbeiten wohl nicht, ob er da nicht in die Falle gegangen war. Gleich in der ersten Szene des Films muss er als Marlowe zugeben, wie alt er sich in einer Welt fühlt, die sich ohne Rücksicht auf langsamer werdende Oldtimer einfach weiterdreht. Die Kamera zeigt ihn gnadenlos als Relikt, als Typen, der ein paar mal zu oft weit oberhalb seiner Gewichtsklasse geboxt hat und einiges einstecken musste.

Aufhänger für alle Zweifel Mitchums wurde seine Garderobe. Der nicht mehr ganz so strahlkräftige Star bekam keine breite Auswahl an Klamotten, ja, nicht einmal Doubletten einzelner Kleidungsstücks. Er musste in allen Szenen tatsächlich ein- und denselben Anzug tragen. Und der war nicht frisch, sondern kam aus dem Fundus. Er war Jahrzehnte zuvor für den Schauspieler Victor Mature geschneidert und von dem auch getragen worden. Die ganzen Dreharbeiten über moserte Mitchum fortwährend herum, er müsse einen Anzug tragen, den Victor Mature „vollgefurzt“ habe.

Ein Boxer als Schurke

Doch poetischer und faszinierender ist Altersmüdigkeit in keinem Krimi vor die Kamera gebracht worden. Der Regisseur Dick Richards, ein ehemaliger Fotograf, ruft noch mal die ganzen Noir-Mythen auf, ohne kitschig zu werden. Und natürlich darf sich Marlowe noch einmal aufrappeln, darf der Welt zeigen, dass altes Eisen Flugrost haben mag, aber noch immer einiges Gewicht. Die Kamera führte John Alonzo, der Roman Polanskis „Chinatown“ ins Bild gesetzt hatte. Und der mittlerweile viel zu selten gerühmte Filmkomponist David Shire lieferte mit „Marlow’s Theme“ eines seiner Meisterstücke.

Der Schnüffler Marlowe wird vom so wuchtigen wie einfältigen Koloss Moose Malloy verpflichtet, dessen verschwundene Angebetete Velma zu suchen. Als Ex-Knacki Malloy hatte sich Richards den Ex-Schwergewichtsboxer Jack O’Halloran ausgesucht. Der fand Gefallen an der Schauspielerei blieb dabei, langte aber wie einst im Ring auch mal daneben: Er lehnte zum Beispiel die klassisch werdende Schurkenrolle als Beißer im Bond-Film „The Spy who loved me“ ab. Als Velma wurde Charlotte Rampling geheuert, die ihre Chance wunderbar schamlos nutzte. Mit ein paar Jahrzehnten Verspätung machte sie allen Femme fatales von Hollywoods sogenannter „Schwarzer Serie“ der Vierziger verruchte Konkurrenz.

Revolver gegen Regisseur

Mitchum tat gegenüber dem Regisseur Dick Richards noch brummiger als sonst. Richards war kein Hollywood-Vollprofi, er kam von der Fotografie und wollte immer noch was ausprobieren, was nicht im Drehbuch stand. Einmal soll der genervte Mitchum im Streit sogar einen (allerdings nur mit Platzpatronen geladenen) Revolver abgefeuert und Richards so in Todesangst versetzt haben. Aber wenn die Kamera lief, gab er sein Bestes – also mehr, als jeder andere in der Rolle hätten liefern können. Selbst viele Liebhaber des klassischen US-Krimis kennen diesen in Vergessenheit geratenen Film trotzdem nicht: Mit der DVD ist also ein echtes Kleinod zu entdecken.

Fahr zur Hölle, Liebling. Blu-ray bzw. DVD bei Filmjuwelen. 95 Minuten. Bonus: 24-seitiges Booklet. Auch im Angebot des Streamingdienstes Amazon Prime enthalten, anders als auf DVD gibt es hier aber nur die deutsche Synchronisation.