Die Spendenkultur hat China erreicht. Unser Pekinger Korrespondent Bernhard Bartsch sieht auch die Schattenseiten der neuen Wohltätigkeit.

Peking - Bekannte in Peking haben mich zu ihrer Firmeneröffnung eingeladen. Ich müsse auf jeden Fall kommen, steht auf der Karte, sonst breche ich ihnen das Herz. Meine Bekannten wollen an diesem Abend ihre eigene Marke für Kinderkleidung vorstellen, doch das soll angeblich nur Nebensache sein, denn eigentlich handele es sich um eine Wohltätigkeitsveranstaltung. Die Einladung ist mit einem „Spendenvorschlag“ von 200 Yuan (etwa 26 Euro) verbunden. Darüber hinaus ist jeder Gast gehalten, sich an der Versteigerung der Musterkollektion zu beteiligen. Mit dem Erlös wollen meine Bekannten einen Fonds gründen, mit dem sie soziale Projekte in China unterstützen, und auch in Zukunft soll im Verkaufspreis ihrer Kleider eine Spende enthalten sein. Je erfolgreicher ihre Marke einmal wird, umso wohltätiger kann sie wirken.

 

Klingt gut? Ich weiß nicht so recht. Meine Freunde sind nicht die Ersten, die in China auf die Idee kommen, ihren Produkten einen Klingelbeutel anzuhängen. Sie sind auch nicht die Zweiten oder Dritten. Hunderte von Unternehmen demonstrieren ihr Engagement für Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung, indem sie ihren eigenen Solidaritätszuschlag erheben.

Häufig handelt es sich um Etikettenschwindel

Das Konzept stammt natürlich aus dem Westen, aber seitdem auch China die Schattenseiten der Konsumgesellschaft diskutiert, muss man hier ebenfalls alle naslang für gute Zwecke spenden: Ein Café in der Nachbarschaft bittet um Geld für Kaffeepartys in Behindertenzentren. Ein Restaurant schickt seine Mitarbeiter zum Bäumepflanzen. Ein Kindergarten lädt Eltern ein, die Bilder ihrer Kinder zu ersteigern, damit sie von klein auf lernen, „etwas an die Gesellschaft zurückzugeben“.

Das ist vielleicht gut gemeint, aber häufig Etikettenschwindel. Denn die meisten benutzen die Spenden als Marketinginstrument, als eine Art Ablasshandel der Überflussgesellschaft. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich spende gern. Ich bin mit Sonntagskollekte, Wohlfahrtsmarken und Afrikapaketen groß geworden und halte die Wohltätigkeitskultur für eine der großen Errungenschaften unserer Kultur. Allerdings möchte ich nicht das gute Gewissen anderer Leute finanzieren, geschweige denn ihre Produktwerbung. Deshalb spende ich nur für Profis: Organisationen, die ihre Projekte in Vollzeit betreiben. Meinen Bekannten dagegen werde ich für ihre Firmeneröffnung absagen, auch wenn es ihnen das Herz bricht.