Ennio Morricones deftige Äußerungen über Quentin Tarantino im „Playboy“-Interview haben hohe Wellen geschlagen. Nun zieht der „Playboy“ den Text zurück. An Morricones Vorwurf der Fälschung scheint etwas dran zu sein.

Stuttgart - Das kann dem alten Herrn halt mal passieren, mag sich mancher Fan des 90-jährigen Ennio Morricone gedacht haben: Dass dem Maestro im Interview mit dem deutschen „Playboy“ ein paar sehr deftige Worte über Quentin Tarantino, dem er Musik für „Kill Bill“ und „The hateful Eight" geliefert hat, herausrutschen. Doch kaum lief auch durch andere Medien, was das aktuelle Dezember-Heft des „Playboy“ zu bieten hat, nämlich die Beschimpfung von Tarantino als „Kretin“ und die wenig schmeichelhafte Beschreibung seiner Arbeitsweise als „chaotisch“, da kam das Dementi aus Rom: Das habe er nie gesagt, donnerte Morricone, und setzte seinen Anwalt in Marsch.

 

Online ist das umstrittene Interview bereits nicht mehr zu finden. Anfangs hatte der Burda-Verlag, in dem der deutsche „Playboy“ erscheint, noch auf der Korrektheit des Textes bestanden. Nun muss man offenbar Fehler einräumen.

Erinnerungen an den Fall Kummer

Das Branchenmagazin „Meedia“ zitiert den „Playboy“-Chefredakteur Florian Boitin: „Der freie Autor, der das Interview mit Ennio Morricone für uns geführt hat, war uns bislang als renommierter Print- und Hörfunk-Journalist bekannt. Es gab für uns in der Vergangenheit keinen Anlass, an seiner journalistischen Integrität und seinen Fähigkeiten zu zweifeln. Nach jetzigem Kenntnisstand müssen wir jedoch leider davon ausgehen, dass das im Interview gesprochene Wort von ihm in Teilen nicht korrekt wiedergegeben wurde.“

Man prüfe, so Boitin weiter, rechtliche Schritte. Sollte sich der Verdacht erhärten, dass zentrale Teile eines Interviews verfälscht oder erfunden wurden, um es deftiger und damit verkäuflicher zu machen, wäre der Schaden allerdings mit einem Rechtsstreit nicht wieder zu beheben. Ungute Erinnerungen an den Fall des Journalisten Tom Kummer werden wahr, der in den 90er Jahren dem Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ gefälschte Prominenten-Interviews untergeschoben und sein Gebaren, als es im Jahr 2000 aufflog, auch noch als „Borderline-Journalismus“ gerechtfertigt hatte. Kummer erlebt später ein relativ unverständliches Comeback und sieht sich immer wieder mit gut belegbaren Plagiatsvorwürfen konfrontiert.

Ein Fressen für manche Politiker

Als Kummer seine Betrugstexte schrieb, die er, verkürzt gesagt, als Anreicherung einer verlogenen Wirklichkeit mit wahrhaftiger Fiktion betrachtet, war „Fake News“ noch kein Kampfbegriff gewisser Politiker, die den lästigen Wachhund Presse loswerden wollen. Nun aber weht ein ganz anderer Wind, Hetzkampagnen gegen die Presse, die Blickverengung innerhalb von Filterblasen und etliche andere Faktoren sorgen für einen ganz neuen Rechtfertigungsdruck. Ein auch nur in Teilen erfundenes Morricone-Interview wäre ein gefundenes Fressen etwa für Rechtspopulisten, die daran arbeiten, die Glaubwürdigkeit der Medien zu unterminieren.

Ennio Morricone hat jedes Recht, den Skandal öffentlich zu machen. Aber mit der Richtigstellung, was Morricone wie tatsächlich gesagt hat, wird es wohl nicht getan sein. Dieser Fall wird eventuell Kreise ziehen. Noch mehr Transparenz – und leider: noch mehr Misstrauen – wird in Redaktionen einziehen müssen.