Forscher bestätigen: ein Asteroid war Ursache des Massensterbens am Ende der Kreidezeit. Alle anderen Theorien konnten widerlegt werden.

Stuttgart - Vor 65,5 Millionen Jahren hat ein Asteroid aus dem Weltraum nicht nur das Zeitalter der Dinosaurier beendet, sondern auch das vieler anderer Arten auf der Erde. Diese Theorie, an der es in der Vergangenheit manche Zweifel gab, hält eine Gruppe von 41 Forschern jetzt in einem Beitrag zur aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Science" für bestätigt.

"Allerdings überfordert die Wucht dieses Einschlages auch das Vorstellungsvermögen der allermeisten Naturwissenschaftler", erklärt der Hauptautor des Artikels, Peter Schulte vom Geozentrum Nordbayern an der Uni Erlangen-Nürnberg. Denn diese Wucht mit der einer Kanonenkugel zu vergleichen, wäre eine Untertreibung. Ein Geschoss mit einem Gewicht von 8,5 Kilogramm verlässt die Kanone eines Kampfpanzers Leopard 2 mit einer Geschwindigkeit von weniger als zwei Kilometern in der Sekunde. Es durchschlägt nach drei Kilometer Flug noch eine Stahlplatte, die einen Meter dick ist.

Der Asteroid vor 65,5 Millionen Jahren übertraf dies um viele Größenordnungen. Er traf mit einer Geschwindigkeit 20 Kilometern in der Sekunde auf. Damals donnerte in den Golf von Mexiko ein kompletter Berg, der mit rund zehn oder zwölf Kilometern Durchmesser höher war, als es der Mount Everest heute ist. Als dieser Berg von 3000 Milliarden Tonnen auftraf, setzte er schlagartig so viel Energie wie eine Milliarde Atombomben der Art frei, wie sie 1945 die japanische Stadt Hiroshima zerstörte.

Ein Krater, fast so groß wie die Schweiz


Diese Wucht war wohl einer der Gründe, weshalb die Auswirkungen des Asteroidentreffers bis heute von einigen Geoforschern bezweifelt werden. Als die 41 Wissenschaftler jetzt aber die besten geowissenschaftlichen Daten von diesem Ereignis zusammentrugen und erstmals zu einer Art Gesamtschau kombinierten, konnten sie alle anderen Theorien widerlegen. "Weder finden sich weltweit Hinweise auf andere Einschläge als Ursache für das Massensterben, noch passen massive Vulkaneruptionen im heutigen Indien zum abrupten Aussterben aller Dinosaurier und von 90 Prozent aller Planktonarten im Meer", erklärt Peter Schulte.

So begannen die riesigen Vulkanausbrüche in Indien bereits eine halbe Million Jahr vor dem Massensterben. Sie setzten zwar riesige Mengen Lava und Klimagase frei. Diese Emissionen aber verteilten sich über eine Million Jahre und brachten bis zum Massensterben gerade einmal eine Änderung der Durchschnittstemperaturen von zwei Grad Celsius zustande. Diese eher gemächliche Klimaänderung aber reicht nicht für ein Artensterben aus.

Weltweit gibt es aber in den Gesteinen eine sehr scharfe Grenze, in der auffällig große Mengen des Edelmetalls Iridium stecken, das nach Ansicht nahezu aller Geologen aus dem Weltraum stammen muss. Genau an der Zeitengrenze, die die Gesteinsgrenze markiert, nimmt auch die Artenvielfalt massiv ab. Unter anderem verschwanden bis auf die eng verwandten Vögel alle Dinosaurier von der Erde. Direkt an dieser "KT-Grenzschicht", die die beiden Erdzeitalter der Kreidezeit und des Tertiär, wie es früher genannt wurde, voneinander trennt, finden die Forscher Partikel, die beim Auftreffen des kosmischen Geschosses hochgeschleudert wurden oder die sich unter dem extrem hohen Druck und den Hochofentemperaturen des Ereignisses erst gebildet haben.

Erdbeben, Tsunamis, Waldbrände


"Noch bei einer Bohrung vor der südamerikanischen Küste rund 4000 Kilometer vom Golf von Mexiko entfernt fanden wir kleine Gneis-Splitter und Carbonat-Steinchen, die aus der Region des Einschlags stammen", erklärt Peter Schulte. Je weiter die Region vom Auftreffpunkt entfernt ist, umso stärker verteilt sich das Material und umso dünner sollte die abgelagerte Schicht sein.

So ist es in der Tat. Alles passt hervorragend zu einem Asteroideneinschlag. Die Wucht des kosmischen Geschosses riss zunächst ein Loch von apokalyptischen Ausmaßen in den Golf von Mexiko und die Halbinsel Yucatan. Es hatte einen Durchmesser von ungefähr hundert Kilometern und war dreißig Kilometern tief - fast drei mal tiefer als die tiefsten Gräben der Weltmeere. Innerhalb weniger Augenblicke kollabierte dieser Krater. Wasser und Gestein schossen von allen Seiten in die Tiefe. So entstand ein neuer Krater, der mit einem Durchmesser von knapp 200 Kilometern beinahe die Fläche der Schweiz hat.

Der Einschlag löste vermutlich Erdbeben mit einer Stärke von 12 oder 13 aus. Unvorstellbare Tsunamis rasten durch die Weltmeere und verwüsteten die Küsten. Ein paar Minuten lang herrschten im gesamten Karibikraum wohl Backofentemperaturen von wenigen hundert Grad Celsius, die viele Pflanzen der Region vertrocknen ließen. Dadurch entstanden schließlich Waldbrände, die im weiten Umkreis die Vegetation zerstörten.

Am schlimmsten traf es das Leben in den Meeren


Für ein Massensterben auf der Erde aber reichte diese Apokalypse immer noch nicht. Zufällig hatte der Asteroid eine mächtige Schicht im Untergrund mit sehr viel Sulfat und Carbonat getroffen. Dadurch wurden zwischen 100 und 500 Milliarden Tonnen Schwefel sehr hoch in die Luft geschleudert. Dort entstanden winzige Schwefelsäuretröpfchen, die das Sonnenlicht auffingen und so die Temperaturen praktisch von einem Tag auf den anderen weltweit um rund zehn Grad fallen ließen.

Ein paar Jahre lang verharrte das Weltklima auf diesem Niveau, die Abkühlung zerstörte vermutlich alle Wälder auf der Erde. Als die Schwefelsäuretröpfchen als saurer Regen langsam wieder zur Erde gerieselt waren, siedelten sich erst einmal Farne auf den gigantischen Brachflächen an. "Über der KT-Grenze finden die Forscher bis nach Neuseeland daher Tonschichten, die voller Samen dieser Farne stecken", erzählt Wolfgang Kießling vom Berliner Museum für Naturkunde und der Humboldt-Universität, der ebenfalls am "Science"-Artikel mitgearbeitet hat. Allerdings hatten auch viele Samen die Naturkatastrophe überstanden. Die Pflanzenwelt und viele Bäume wuchsen daher nach einiger Zeit wieder auf der Erde. Bis dahin aber waren die Tiere längst verhungert, die von diesen Pflanzen lebten.

Noch schlimmer traf es das Leben in den Meeren. Der Einschlag hatte riesige Mengen Staub in die Luft geschleudert, die einige Monate lang die Erde in Dauerdämmerung hüllten, wie sie im mitteleuropäischen Winter vielleicht eine halbe Stunden nach Sonnenuntergang herrscht. Ohne Sonnenlicht aber verhungerte auch das Plankton in den Meeren, 90 Prozent aller Arten verschwanden. "Überlebt haben nur die Arten, die Ruhesporen bilden, aus denen nach vielen Jahren noch neues Plankton wächst", berichtet Wolfgang Kießling. Auch das Massensterben im Meer können die Vulkanausbrüche in Indien kaum erklären - wohl aber der Asteroideneinschlag im Golf von Mexiko.