Der Exzessexperte Erobique hat am Donnerstagabend das Kulturzentrum Merlin in eine Disco verwandelt. Die Zutaten dafür: Sekt, Kippen, cheesy Synthesizer und ewiges Bum-Tschak.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Erobique-Gigs eilt ein gewisser Ruf voraus. Wer da hingeht, weiß, was er kriegt: einen leicht schrägen, aber umso größeren Discospaß mit einem Exzessexperten, dem man die Fähigkeit zur All-Ages-Eskalation auf der Straße vielleicht nicht sofort ansehen würde.

 

Egal. Am Donnerstagabend haben sich im restlos ausverkauften Merlin Kulturzentrum Erobique-Bewunderer aus den frühen Nullerjahren ebenso versammelt wie Publikum im Studentenalter, das vielleicht beim letzten Auftritt im Freund & Kupferstecher auch schon da war. Sie alle können sich auf den Sound einigen, den Carsten Meyer von der ersten bis zur letzten Minute seines zweistündigen Sets kompiliert. Seine Welt ist die der Vinyl-Maxisingles aus den Achtzigern, die man am Flohmarkt oder beim Second-Hand-Records-Sonderverkauf erstehen kann, mit endlosen Dance-Mixes zu spät gekommener Discohits wie "Lambada" darauf.

Im Zentrum des Erobique-Sets steht Musik aus einer Zeit, in der Disco gerade zu House wurde. Eine geniale Zwischenphase, in der kitschig-eingängige Melodien, elektrifiziertes Bum-Tschak, analoge Basssynthesizer und Synkopenakkorde zu eskapistischen, glitzernden Tanzhymnen amalgamiert wurden, ehe der kokaingeschwängerte New Beat den Weg in die dunklen Unz-Unz-Kellerclubs wies. Bei Erobique gibt es Ansagen aus der norddeutschen Dorfdisco und herrlich verspulte Gesangseinlagen gratis dazu.

Er wird mit Schaumwein und Rauchwaren gefüttert

Dass das One-Man-Wonder dabei nur einmal anders als normal guckt, nämlich als eine Besucherin auf seinem Stagepiano herumklimpern will und er ihr das mit einem Klaps auf die Pfoten untersagt, macht die Show nur umso glaubwürdiger. Nach gar nicht so langer Zeit öffnet Carsten Meyer die Bühne für alle, die darauf tanzen wollen. Die Proseccoflasche ist für alle da, Nachschub wird konstant herbeigeschafft und der Musiker mit Schaumwein und Rauchwaren gefüttert, bis er ein Micky-Maus-Muster in seinen Trigemapulli geschwitzt hat.

Kurz bevor es elf Uhr und damit für den Künstler selbst Zeit zum tanzen ist - sein Lieblingspartner in Crime, Michael Paukner, legt danach noch auf -, erklärt Erobique den Zweck seines Tuns. Er mache "Musik zum Bumsen", gibt er zu Protokoll, nur um kurz darauf George Michael "Careless Whisper" zu einem Beat singen zu lassen, der so sonst nur von dem in Sachen Achtzigerjahrepop höchst aufgeklärten Wiener Rapper Yung Hurn und seiner Love Hotel Band kommen könnte.

Ein paar schöne Kadenzen später ist wirklich Schluss, zumindest für diesen Abend. Die Party geht natürlich weiter. Und irgendwann wird Erobique wieder in der Stadt sein. Er dürfte ruhig öfter kommen.


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