Vom 17. August an greift ein neues Erbrecht der EU. Wer im Ausland lebt muss handeln – andernfalls können seine Erben eine böse Überraschung erleben. Das neue Recht soll vieles einfacher machen – doch einige Details bleiben ungeklärt.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Stuttgart - Erben in Europa ist bisher nicht einfach. Stirbt zum Beispiel ein wohlhabender Deutscher mit Wohnsitz in Paris, dann wurde dessen französische Wohnung bisher nach französischem Recht vererbt. Für all sein übriges Hab und Gut galten jedoch die deutschen Regeln. Experten gehen davon aus, dass es pro Jahr zu 450 000 Erbfällen mit Auslandsbezug in der Europäischen Union kommt. Daher soll vom 17. August an alles einfacher werden. Dann tritt die bereits vor drei Jahren verabschiedete EU-Erbrechtsverordnung endgültig in Kraft.

 

Für alle Todesfälle von diesem Datum an gilt eine vermeintlich einfache Regelung: es gilt das Erbrecht des Landes, in dem der Verstorbene seinen „gewöhnlichen Aufenthalt“ hatte. Vieles wird dadurch einfacher, anderes komplizierter. Und um einige Dinge muss sich der Erblasser einfach noch zu Lebzeiten kümmern, wenn er vermeiden möchte, dass seine Erben später Nachteile erleiden. Vor allem das in Deutschland beliebte „Berliner Testament“ steht in vielen Fällen nur noch auf wackeligen Beinen.

Bis zum 17. August muss man handeln

Das so genannte Berliner Testament ist hierzulande bei (Ehe-) Paaren die populärste Form, den letzten Willen zu bekunden. Stirbt ein Partner, so erbt der zweite das gesamte Vermögen. Kinder erhalten im Regelfall vorerst nichts. Sie werden zu Schlusserben, wenn auch der zweite Elternteil gestorben ist. Das ist eine massive Bevorzugung des Partners und dient dessen Absicherung. Und es ist eine Regelung, die es in Spanien, Italien, Frankreich und zahlreichen anderen Ländern so nicht gibt. Ehepartner, die sich zum Beispiel auf Mallorca niedergelassen haben und ein Berliner Testament besitzen, müssen nun handeln. Vom 17. August an gelten die vereinbarten Regeln sonst nicht mehr.

Statt der deutschen Gesetze gelten für Deutsche, die erst auf Mallorca gelebt haben und dort starben die dortigen Gesetze – im Falle Spaniens birgt das noch einmal besondere Kniffe. Das Erbrecht ist dort kein nationales Gesetz. So ist Mallorca von der Nachbarinsel Ibiza nur 150 Kilometer entfernt, doch das Erbrecht folgt im Detail unterschiedlichen Regeln. Ob Pflichtteilsrechte und Erbquoten dann gegenüber dem deutschen Recht von Vorteil oder von Nachteil sind hängt von den persönlichen Umständen ab.

Für Änderungen empfiehlt sich fachkundiger Rat

Wie viele Deutsche dauerhaft im Ausland leben ist statistisch nicht erfasst. Klar ist, es werden immer mehr. Karriere in Österreich, einen Job im Baltikum, Ruhestand im Süden, oder ein Pflegeheimplatz in Osteuropa – Gründe dafür, in einem anderen Land zu leben, gibt es zuhauf. Wer gleichwohl möchte, dass das deutsche Erbrecht für ihn gilt, der muss das ausdrücklich erklären. Bereits bestehende Testamente müssen geändert werden – auch bei Berliner Testamenten ist das möglich. Das muss dann allerdings in der richtigen Form geschehen – den Rat eines Experten einzuholen ist da empfehlenswert. In allen Europäischen Mitgliedstaaten, die an der EU-Erbrechtsverordnung beteiligt sind, gibt es vom 17 August an ein Nachlasszeugnis. Das ist mit dem deutschen Erbschein zu vergleichen und wird vielen Menschen den Zugang zum Erbe erleichtern. Das deutsche Recht stand dabei sichtbar Pate. Großbritannien, Dänemark und Irland haben sich allerdings davon nicht inspirieren lassen – in diesen drei Ländern gelten die neuen Regelungen nicht. Die drei Staaten hatten während des insgesamt 13 Jahre andauernden Planungs- und Gesetzgebungsverfahrens Nachteile für ihre Bürger geltend gemacht.

Schon jetzt ist absehbar, dass der Streit über das Erbrecht auch mit den neuen Regeln nicht beendet sein wird. Wie der gewöhnliche Aufenthaltsort, der künftig Relevanz für das anzuwendende Erbrecht hat, genau bestimmt wird – das lässt die Verordnung offen. Der gemeldete Wohnsitz kann, aber er muss nicht mit diesem Ort übereinstimmen. Vor allem Pendler, die zwischen einem oder mehreren Aufenthaltsorten hin und her reisen, werden die Justiz wohl beschäftigen.