Beim VfB Stuttgart trainierten sie einst gemeinsam die B-Jugend, ehe sich ihre Wege trennten. Jetzt ist das Trainertandem Domenico Tedesco und Andreas Hinkel wieder vereint – und freut sich auf das Abenteuer bei Spartak Moskau. „Eine unheimlich reizvolle Aufgabe“, sagt Hinkel im Interview.

Moskau - Am Montag wurden die Verträge unterzeichnet, am Dienstag leiteten Domenico Tedesco (34) und sein Co-Trainer Andreas Hinkel (37) ihr erstes Training bei Spartak Moskau. „Die ersten Eindrücke sind absolut positiv“, sagt der frühere VfB-Profi Hinkel.

 

Herr Hinkel, welches Ergebnis brachte das erste Wiegen der Mannschaft zutage? Wie wir gehört haben, gehört das ja in Russland zum guten Ton vor jeder Einheit.

Ich habe ein bisschen zu viel auf den Rippen (lacht). Im Ernst: Das haben wir vor dem ersten Training nicht gemacht, da standen andere Themen im Vordergrund. Ich glaube aber übrigens nicht, dass das Wiegen im Sport ein rein russisches Phänomen ist. Das machen ja auch in Deutschland viele Clubs.

Konnten Sie sich schon ein größeres Bild der neuen Mannschaft machen?

Dazu ist es noch zu früh. Natürlich haben wir sehr viele Videos gesehen. Aber es macht immer einen Unterschied, die Spieler auch jeden Tag im Training zu sehen und mit ihnen zu sprechen. Erst dann kann man sich ein wirklich konkretes Bild machen.

Spartak Moskau – der FC Bayern Russlands

Wie liefen die letzten Tage ab? Der Wechsel von Ihnen, Domenico Tedesco und Torwarttrainer Max Urwantschky (FC Erzgebirge Aue) ging ja dann doch recht schnell über die Bühne.

Schnell ist im Fußball ja relativ. Wir haben uns vor der Zusage schon intensiv mit der Sache beschäftigt. Uns war es im Vorfeld beispielsweise auch wichtig, uns ein eigenes Bild vor Ort zu machen. Deshalb waren wir vergangene Woche für drei Tage in Moskau, haben viele Gespräche geführt und uns sowohl den Club als auch die Stadt angesehen. Die Eindrücke waren absolut positiv.

Was hat Sie an der Aufgabe in Moskau gereizt?

Spartak ist der beliebteste Club in Russland mit über 25 Millionen Fans. So einen Verein in solch einer Stadt trainieren zu können – das ist eine unheimlich reizvolle Aufgabe. Dazu kommt, dass es im Sommer einem großen Umbruch gab, wir haben eine der jüngsten Mannschaften der Liga. Wir sehen da sehr viel Potenzial. Aber Fakt ist auch, dass die aktuelle Situation nicht ganz so einfach ist. Da geht es jetzt erst einmal darum, die Mannschaft wieder zu stabilisieren.

Weit weg von der Großfamilie

Sie sind ja ein sehr heimatverbundener Typ. Fällt es Ihnen nicht schwer, so in die Ferne zu ziehen?

Es ist ja nicht so, dass ich ans andere Ende der Welt gehe. Zwischen Stuttgart und Moskau gibt es mehrere Flüge täglich, da ist man gerade einmal drei Stunden unterwegs. Und ich bin zwar heimatverbunden – aber auch sehr neugierig darauf, neue Städte und Kulturen kennenzulernen. Das war schon zu meiner aktiven Zeit so, als ich nach Sevilla und Glasgow bin. Ich glaube, dass man von solchen Erfahrungen enorm profitiert. Nicht nur als Sportler, auch als Mensch.

Kommt die Familie nach – oder bleiben ihre Frau und ihre Kinder in Winnenden?

Die Familie bleibt erst einmal in Winnenden wohnen. Drei meiner vier Kinder sind ja schon schulpflichtig. Sie wollen wir nicht aus ihrem Umfeld rausreißen.

Sie und Tedesco kennen sich schon lange aus dem VfB-Jugendbereich. Welche Rolle hat das beim Wechsel nach Russland gespielt?

Das hat eine sehr entscheidende Rolle gespielt. Domenico und ich hatten zusammen eine richtig gute und erfolgreiche Zeit mit der U17. Auch danach sind wir immer in Kontakt geblieben und hatten schon die Idee und den Wunsch, irgendwann wieder zusammenzuarbeiten. Schön, dass es jetzt geklappt hat.

VfB wird immer ein besonderer Club für Hinkel bleiben

Wie fällt Ihr Blick zurück zum VfB aus, wie viel Enttäuschung und Bitterkeit schwingen noch mit?

Wir hatten unterschiedliche Standpunkte über mein weiteres Betätigungsfeld und haben da keinen gemeinsamen Nenner gefunden. Das war sicher nicht die beste Situation. Aber das ändert nichts daran, dass der VfB für mich immer ein besonderer Club bleiben wird. Und mein Weg geht jetzt ja auch weiter. Jetzt arbeite ich für einen großen Club wie Spartak Moskau, von der Bedeutung her so etwas wie der FC Bayern Russlands. Darauf freue ich mich riesig.

Wie intensiv verfolgen Sie den VfB noch?

In Deutschland habe ich mir natürlich die Spiele angesehen. Und auch hier in Russland werde ich die Entwicklung aus der Ferne verfolgen und die Daumen drücken. Das ist doch ganz klar.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Entwicklung?

Der VfB hat den mit Abstand höchsten Etat der Liga und naturgemäß andere Ansprüche als die zweite Liga. Deshalb ist der Wiederaufstieg Pflicht. Ich bin überzeugt davon, dass das auch klappt. Der VfB hat den stärksten Kader der ganzen Liga.

Spartak muss in der Tabelle nach unten schauen

Mit André Schürrle steht ein Deutscher im Kader von Spartak Moskau. Wird ihm zukünftig eine besondere Rolle zukommen?

Nach zwei Tagen ist es noch zu früh, um schon detailliert über einzelne Spieler sprechen zu können. Wir müssen die Jungs jetzt erst mal so schnell und so gut wie möglich kennenlernen.

Nach zwölf Spieltagen steht Spartak auf dem zehnten Rang, der Abstand zu den Relegationsrängen beträgt nur zwei Punkte. Mit welcher Zielsetzung gehen sie nun in die nächsten Wochen?

Ein Club wie Spartak muss generell sehr ambitionierte Ziele haben. Aber in der aktuellen Lage geht es erst einmal darum, so schnell wie möglich so viele Punkte wie möglich zu sammeln.