Michael Wimmer hat einen neuen Job – als Cheftrainer. Der ehemalige Interimscoach des VfB Stuttgart arbeitet künftig für Austria Wien – und bekam zum Start einen Eindruck vom Beben beim Traditionsclub.

Sport: Marco Seliger (sem)

Der Pressesprecher von Austria Wien eröffnete die Medienrunde am Dienstag standesgemäß. „Servus und Prosit Neujahr an alle Veilchen“, sagte er und schaute zu dem Mann rüber, der auf dem Podium neben ihm saß und jetzt auch ein Veilchen ist. Michael Wimmer, vom 9. Oktober an für sieben Spiele Interimscoach des VfB Stuttgart, hat also seinen erwünschten Posten als Chefcoach bekommen – und ist beim Traditionsclub aus dem zehnten Wiener Bezirk Favoriten gelandet: Bei der Austria, die aufgrund der violetten Vereinsfarben Veilchen genannt wird.

 

Wo genau Wimmer da nun gelandet ist, wusste er bei seiner Vorstellung nach wenigen Minuten ein bisschen genauer. Denn zwei lokale Medienvertreter fragten den neuen Trainer zu Beginn, ob er denn wisse, auf welches Pulverfass er sich da so einlasse.

Explosionsgefahr gibt es bei der Austria zuhauf. Da ist etwa die finanzielle Schieflage, Investoren warten auf ihr Geld, vor der Saison wurden den Wienern vier Punkte abgezogen. Nach einem Protest wurde der Abzug auf drei Punkte reduziert. Die Schulden aber sind noch immer da – ebenso wie der Ärger bei den Fans, der allerdings weniger mit den klammen Kassen zu tun hat, sondern mit der Entlassung von Wimmers Vorgänger.

So löste die Beurlaubung des beliebten Trainers Manfred Schmid Anfang Dezember einen Sturm der Entrüstung aus, es gab Kündigungen von Dauerkarten und Vereinsmitgliedschaften. Schmid hatte die Austria trotz der prekären finanziellen Situation in der vergangenen Saison auf Platz drei in der Liga und damit in den Europapokal geführt. In der aktuellen Spielzeit belegen die Veilchen allerdings nur den siebten Tabellenplatz und schieden in der Conference League aus. Dennoch blieb Schmid anerkannt bei weiten Teilen des Anhangs, der sich weiter nicht mit dessen Entlassung abfinden will.

Das macht den Start für den Nachfolger Wimmer in Wien nicht leicht – der Bayer, der drei Jahre lang Co-Trainer beim VfB gewesen war, versuchte die Fragen nach dem Pulverfass bei seiner Vorstellung mit Euphorie und der Freude über die Aufgabe zu parieren. Natürlich habe er das alles mitbekommen, sagte Wimmer also: „Aber jeder Trainerjob ist ein Pulverfass – ich habe richtig Lust auf den Job, das ist eine geile Sache.“ Auch die finanzielle Lage und der geringe Spielraum, was Neuzugänge angeht, ficht den 42-Jährigen zumindest offiziell nicht an. „Wenn ich unsicher wäre“, sagte er, „würde ich nicht hier sitzen.“ Er wolle unbekümmert und frech spielen lassen, sagte der Coach noch, denn: „Spieler sind frech, man muss sie loslassen.“ Diese Ausrichtung soll die Austria, das ist das Ziel, wieder in den internationalen Wettbewerb führen.

Der neue Trainer bekam in Wien einen Vertrag bis Sommer 2025 – und am Ende nochmals einen Eindruck davon, wo genau er da seinen neuen Job angetreten hat. So verbat sich der Sportdirektor Manuel Ortlechner am Dienstag auf dem Podium weitere Nachfragen zur Trennung von Coach Schmid vor ein paar Wochen. Man habe dafür Gründe, die man weiter nicht ausführen wolle, weil man keine schmutzige Wäsche waschen wolle – deshalb habe man bisher auch nicht darüber geredet, sagte Ortlechner und goss damit nur noch mehr Öl ins Austria-Feuer.

Willkommen also auf dem Pulverfass, Michael Wimmer!