Degenfechter Valentin Rosenmayer von den TSF Ditzingen kämpft sich mit Fleiß, Disziplin und Begeisterung in der Rangliste nach oben. Nun wurde er für den Bundeskader nominiert.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Man kann eine Zeitung lesen. Oder ein gutes Buch. Oder die Bedienungsanleitung der neuen Spülmaschine. Man kann aber auch einen Menschen lesen. Valentin Rosenmayer tut das regelmäßig, es ist sozusagen sein Hobby. Der Mann in Weiß liest seine Gegner, denen er auf der Planche gegenübersteht. „Beim Fechten“, erklärt der 18-Jährige, „ist die Taktik enorm wichtig. Die Herausforderung besteht darin, zu erkennen, wo der Gegner seine Schwächen hat – ohne die eigenen zu sehr zu offenbaren. Und daraus eine Strategie zu entwickeln.“

 

Internationale Meisterschaften im Visier

Valentin Rosenmayer ist ziemlich begabt im Auslesen der gegnerischen Fechter, beim Berndt-Peltzer-Gedächtnisturnier in Tauberbischofsheim hat der Degenkämpfer der TSF Ditzingen unter 99 Startern den zweiten Platz erobert. „Man lernt auch aus Niederlagen“, sagt Valentin Rosenmayer und denkt dabei an die knappe 13:15-Finalniederlage gegen den Leipziger Ole Petersen. Für Rang zwei erhielt der Ditzinger 14 Punkte für die deutsche Rangliste. In der Tabelle lag er nach diesem Qualifikationsturnier auf dem fünften Platz in der Junioren – das ist von immenser Bedeutung.

Gemäß dieser Rangliste werden die jeweils vier Startplätze für die U-20-EM in Tallin (Estland) und die U-20-WM in Plovdiv (Bulgarien) vom Deutschen Fechterbund vergeben. Beim Turnier in Basel am vergangenen Wochenende jedoch hat Valentin Rosenmayer lediglich zwei Siege errungen sowie drei Niederlagen einstecken müssen, er schied in der Vorrunde aus – und ist nicht auf Platz vier geklettert. Keine EM, keine WM, als kleiner Trost bleibt ihm die Nominierung in den Bundeskader.

Beim Fechten ist nicht nur eine präzise Beobachtungsgabe gefordert, es braucht eine gewandte Klinge, schnelle Beine und flinke Arme, eine Portion Ausdauer, ein Füllmaß an Konzentration und einen stets wachen Geist. Wenn nicht Muhammad Ali vor mehr als 50 Jahren das Bild „schwebe wie ein Schmetterling, stich wie eine Biene“ für seinen bewunderten Boxstil geprägt hätte, man müsste es für die Fechter erfinden. „Diese Gesamtheit fasziniert mich am Fechten“, erzählt Valentin Rosenmayer, „dieses Zusammenspiel von Psyche und Physis.“

Ohne Disziplin geht gar nichts

Diese Mischung hat den jungen Mann bereits vor mehr als zehn Jahren für sich eingenommen, was Fußball und Tennis nicht gelungen ist, den beiden Sportarten, denen er sich bis dahin gewidmet hatte. In einem Schnupperkurs in der Schule überwältigte ihn der Zauber des Fechtens, davor hatte er lediglich als Kind mit Holzschwertern in der Luft herumgefuchtelt. Er schaute bei den TSF Ditzingen vorbei, bekam eine richtige Waffe in die Hand gedrückt – und damit war die Zukunft geschrieben. „Der Anfang war hart und anstrengend“, erzählt der Gymnasiast, „über Wochen übt man nur Grundstellung und Beinarbeit. Aber ich war so begeistert, dass ich dabei geblieben bin.“ Von 40 Anfängern blieben am Ende noch rund zehn übrig, die die Abschlussprüfung meisterten.

Foto: Andreas Gorr

Durchhaltevermögen ist auch heute noch wichtig, wo Valentin Rosenmayer längst nicht mehr zu den Debütanten auf der Planche zählt. Dreimal pro Woche steht Training auf dem Plan, das genauso viel Engagement benötigt wie das Lernen auf die anstehende Abiturprüfung – ohne Selbstdisziplin kommt man weder hier noch dort ans Ziel. Und auch Valentin Rosenmayer gibt zu, dass „ich viel an mir arbeiten musste, um alles unter einen Hut zu bringen“. Einen erklecklichen Anteil an seiner Entwicklung hat auch Trainer Zoltan Szegedi, der ihn nicht nur als Fechter weitergebracht hat, sondern auch in seiner geistigen Entwicklung. „Fechten“, betont der Teenager, „ist vielleicht ein bisschen Talent plus viel, viel Arbeit.“

Reisen gehört mit zum Geschäft

Neben dem begabten U-20-Degenkämpfer zählen weitere Talente zum Team der TSF. Ben Szalay beendete das Turnier in Tauberbischofsheim auf Platz 42, Samuel Hochwald erreichte Platz 59. Die Ungarin Luca Komma erreichte bei den U-20-Damen Platz 60. Wer gerne die Klingen kreuzt, darf das Reisen nicht fürchten. Der Ditzinger startete bei Weltcups in Riga (Lettland) und Heraklion (Griechenland) sowie zuletzt in Basel, was ein Katzensprung war. Je nach Ranglistenplatz übernimmt der Verband einen Teil der Kosten, aber auch die TSF müssen sich finanziell beteiligen – und mitunter muss die Familienkasse herhalten. „Ich finde es traurig“, sagt Valentin Rosenmayer, „dass wir nur wenige Sponsoren haben, obwohl so viele Firmen in der Region sind. Es ist immerhin eine olympische Sportart, die in Deutschland eine große Geschichte besitzt.“

Die Konstellation ist irgendwie ein Spiegelbild dieser Sportart. Fechten benötigt Disziplin und Durchhaltevermögen, und nur mit harter, unablässiger Arbeit gelingt es, sowohl über die Gegner zu siegen wie auch neue Sponsoren zu gewinnen.