Der Klimawandel lässt in Christopher Nolans anfangs sehr pessimistischem SF-Film die Erde vertrocknen. Eine Handvoll Astronauten wird ausgeschickt, um einen Ersatzplaneten für die Menschheit zu finden. Das wird ein höchst problematisches Unternehmen.

Stuttgart - Es ist mal wieder so weit. Der nächste Staubsturm kommt. Aber was da im amerikanischen Mittelwesten als dunkler Vorhang den Horizont verfinstert, wirkt nicht mehr wie eine vorübergehende Wetterschikane. Es scheint eher eine massive Trennwand zu sein zwischen der alten Welt, die wir noch kennen, und diesem neuen, harten, bedrängten Farmersleben.

 

Tatsächlich wird Christopher Nolan in seinem neuen Film „Interstellar“ endzeitlich. Das Klima ist gekippt, die Ressourcen sind geschwunden, das Leben hat sich dramatisch gewandelt. „Interstellar“ spielt dabei in größerem Rahmen auf jene katastrophale Entwicklung in den dreißiger Jahren in den Präriestaaten der USA an, die man dort unterm Schlagwort „The Dust Bowl“ abgespeichert hat, jene Periode der Dürre, Stürme und massiven Bodenerosion, die Elendstrecks von Entwurzelten Richtung Westen in Marsch setzte. John Steinbecks Roman „Früchte des Zorns“ und John Fords gleichnamige Verfilmung mit Henry Fonda aus dem Jahre 1940 erzählen davon.

Der für die „Batman“-Trilogie verantwortliche Nolan ruft also Erinnerungen an Motive und Figuren auf, die er bei einem jüngeren Kinopublikum nicht voraussetzen kann. Das ist typisch für seine Arbeit im 169 Minuten langen „Interstellar“, den Nolan lange konsequent an allem vorbeisteuert, was Hollywoods Marktforschung für Kernansprüche des Blockbusterpublikums hält, und der selbst im Endspiel kein Actionspektakel wird.

Plan A für alle, Plan B für wenige

Raumfahrt scheint unvorstellbar in diesem vertrocknenden Amerika, dessen Schulbücher lehren, die Mondlandung sei eine Publicity-Lüge gewesen. In der Familie von Farmer Cooper (Matthew McConaughey) weiß man es besser. Bevor Cooper Technikreste aus besseren Tagen in Mähdrescher einbaute, war er der beste Pilot der Nasa. Seiner Tochter Murph (als Kind von Mackenzie Foy, als Erwachsene von Jessica Chastain gespielt) hat er noch vermitteln können, dass es einmal den Traum vom Aufbruch zu den Sternen gab. Das macht Murph zur Außenseiterin.

Was Cooper zunächst nicht weiß: die Nasa gibt es noch. Im Geheimen arbeitet sie an einem Rettungsplan für die Menschheit. Plan A sieht die Massenevakuierung durch ein Wurmloch vor, auf einen Planeten, der erst noch gefunden werden muss, mit einer Technik, die es noch zu entwickeln gilt.

Plan B ist der handlichere und brutalere: eine Handvoll Astronauten bringt eine relevante Menge tiefgefrorenen Erbguts auf den noch zu findenden bewohnbaren Planeten und gibt mit einer Mischung aus Leihmutterschaft, Brutkastenzucht und exakter Genpoolkontrolle der Menschheit eine zweite Chance. Cooper wird an der Vorbereitung der letzten Flüchtlingswelle teilnehmen, wird die lohnendsten jener Planeten ansteuern, auf denen zuvor einsame menschliche Kundschafter gelandet sind. Was an kargen Daten durchs Wurmloch zur Erde drang, soll durch Tests verifiziert werden: Kann einer der Planeten menschliches Leben tragen?

Physik und Esoterik fließen ineinander

Wie zuletzt „Gravity“ von Alfonso Cuarón und lange zuvor „2001“ von Stanley Kubrick zeigt auch „Interstellar“ eine vorstellbare, also zunächst schwerfällige, von engen technischen und physikalischen Grenzen beschränkte Raumfahrt. Dies ist nicht das SF-Kino der Entgrenzung, es ist eines von Nieten und Bolzen, mörderischem Beschleunigungsdruck und extrem beschränkten Treibstoffreserven.

Aber es geht dann doch über die Grenzen von „Gravity“ hinaus, es wagt sich an die Ränder des Wissens und in die Gefilde der Spekulation. Durch Wurmlöcher, die weit entfernte Orte nebeneinanderlegen, kann man hier tatsächlich reisen. Aber im All treten auch Zeitdehnungseffekte auf, und während die Uhren der Astronauten wenige Stunden voranticken, vergehen auf der Erde Jahre. Wie in „2001“ aus dem Jahr 1968 fließen so Physik und Esoterik ineinander, wird auch in „Interstellar“ die Einbahnstraße Zeit zum rundum navigierbaren Raum.

Zu spät für Optimismus

Aber Nolans Film ist im Kern pessimistischer als der von Kubrick. Nicht nur ist der Mensch auch im All eigensüchtig und unzuverlässig, das Engagement für die abstrakte Menschheitszukunft belastet und zerstört konkrete Beziehungen. Das schildert Nolan lange hart und unversöhnlich, bis er ganz am Ende nach Sinngebung und Trost strebt. Diese Kehrtwende macht auch aus dem ein oder anderen zuvor eindrucksvollen Motiv ziemlichen Kitsch.

Warum Nolan und sein Bruder Jonathan, mit dem zusammen er nicht zum ersten Mal ein Drehbuch verfasst hat, diese Wendung anstreben, bleibt unerklärlich. Das Publikum, das sie mit optimistischer Gefühligkeit beglücken könnten, haben sie zuvor zwei Stunden lang konsequent aus dem Kinosaal gegrault. So bleibt „Interstellar“ letztlich eine Ruine von Film – aber eine sehenswert imposante.

Interstellar. USA 2014. Regie: Christopher Nolan. Mit Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Michael Caine, Jessica Chastain, Matt Damon, John Lithgow. 169 Minuten. Ab 12 Jahren.