Wenn Woody Allen unter fremder Regie auftritt, geht das oft schief. In John Turturros Komödie über einen Gigolo hat er aber ein paar schöne Auftritte. Aber kommt das an den Callboy-Witz der TV-Serie „Hung“ heran?

Stuttgart - Man sollte, meinen manche Damen, im Leben alles mal ausprobiert haben, auch einen flotten Dreier. Der New Yorker Antiquar Murray, in „Plötzlich Gigolo“ gespielt von Woody Allen, lernt so ein paar unterbeschäftigte Frauen auf der Suche nach Kicks, Sinngebung oder schlicht Tratschmaterial kennen. Und der ältere Herr macht sich nicht nur lüsterne, sondern auch ökonomische Gedanken.

 

Seinen Laden muss er gerade räumen, das Zeitalter des Lesens jedenfalls von Papierbüchern ist vorbei. Statt zu jammern, will er sich dem Wandel der Nachfrage stellen. Also fragt er seinen Freund, den Blumenhändler Fioravante (John Turturro, der auch Regie geführt und das Drehbuch geschrieben hat), ob er sich nicht vorstellen könne, als Beischläfer auf Bestellung zu arbeiten – mit ihm, Murray, als Manager und Skrupelbeseitiger.

Die gute Nachricht vorweg: zwar hat der sympathische Schauspieler Turturro bislang gern daneben gelangt, wenn es ans Inszenieren eigener Filme ging; zwar hat Woody Allen einen frustrierend seltsamen Geschmack bewiesen, wenn er sich als Schauspieler unter fremde Regie begab – aber diesmal nun multiplizieren sich zwei Talente keineswegs zur Fehlentscheidung.

Die Liebe als Ware

„Plötzlich Gigolo“ ist ein Film, der nach Warmherzigkeit und Verständlichkeit strebt, der seine Figuren ironisieren, aber nicht denunzieren will, der Liebe als Himmelsmacht und zugleich als Tauschware im Spannungsfeld gesellschaftlicher Konventionen zeigen möchte.

Nun kommt die schlechte Nachricht: die Grundkonstellation wirkt wie ein fast schon plumper Ideenklau bei der viel zu wenig bekannten und gepriesenen HBO-Serie „Hung“. Dort ist es Thomas Jane als Lehrer in Detroit, der vom Wandel der Gesellschaft erwischt wird. Die Kommune muss sparen, selbst Schulbudgets werden zusammengestrichen, der Lehrer verliert seinen Job. Und so wird er – und er kann es selbst kaum glauben und manchmal auch kaum durchziehen – Callboy. Auch er hat eine Managerin, die fürs Zuhältergewerbe so wenig taugt wie er fürs gefühllose Erigieren und mit gewundenen Argumentationen das Menschliche des Geschäfts betont.

Wehe, man kennt andere Callboys

Wer den Witz und die Schärfe von „Hung“ kennt, wird es nicht leicht haben mit dem vergleichsweise behäbigen „Plötzlich Gigolo“. Aber Durchhalten lohnt, allmählich gewinnt der Film nicht nur dank Turturro und Allen – die unter anderem eine von Sharon Stone gespielte Frau als Kundin gewinnen – an Profil.

Fioravante besucht nämlich auch eine jüdische Witwe (Vanessa Paradis) in streng religiösen Kreisen, eine Frau, die keinen Kontakt zur sündigen Welt haben soll und zugleich von einem Anbeter (Liev Schreiber) überwacht wird. Das fügt sich nie zu einem rasanten Fluss, hat aber ein paar großartige Szenen, zum Beispiel vor einem Rabbiner-Gericht, die Allen zu seinen besten Zeiten nicht komischer hinbekommen hätte.

Plötzlich Gigolo. USA 2013. Regie: John Turturro.Mit John Turturro, Woody Allen, Vanessa Paradis, Sharon Stone, Liev Schreiber, Sofia Vergara. 91 Minuten. Ohne Altersbeschränkung.