Vor Einsamkeit im Alter ist niemand gefeit. Eine Produktion der Ludwigsburger Filmakademie beschäftigt sich jetzt mit dem Thema.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Ludwigsburg - Wollen Sie nicht noch kurz auf einen Kaffee bleiben? Ich habe gerade noch einen da.“ Auch wenn es ihnen im Herzen weh tut – auf hoffnungsvolle Fragen wie diese müssen die Essen-auf-Rädern-Mitarbeiter aus reiner Zeitnot Nein sagen – „auch wenn sie im Alltag von allein stehenden alten Menschen oft der einzige Kontakt am Tag sind“, sagt Christine Becker, die Leiterin der Ludwigsburger Seniorenarbeit. Frauen und Männer, die noch in der eigenen Wohnung leben, noch keinen Pflegegrad haben, denen aber nach und nach Kräfte und Energie schwinden, droht das Schreckgespenst der Vereinsamung. „Es ist ein schleichender Prozess. Wenn die Partner und die letzten Altersgenossen sterben, ist die Barriere, neue Kontakte zu knüpfen, meist groß.“

 

Die schwierigste Herausforderung

Gerade diese Menschen zu erreichen und sie zumindest ein Stück weit in das gesellschaftliche Leben zurückzuholen, sieht Becker als „mit die schwierigste Herausforderung“ an. Die Stadt, die Kirchen und verschiedene Organisationen würden zwar viele Angebote für alte Menschen auf die Beine stellen, erzählt sie; allein die drei Seniorenbegegnungsstätten der Stadt zogen mit ihrem Programm laut Jahresstatistik zuletzt 37 000 Besucher an.

Und doch stellt es für etliche alte Menschen eine Hürde dar, die Treffen zum Spielen, Unterhalten, Sportmachen und Lernen oder die Senioren-Filmnachmittage im Luna wahrzunehmen. Vor allem, wenn die Mobilität zunehmend Probleme macht. Und selbst bei Angeboten wie dem Senioren-Kontakt-Telefon, bei dem sich alte Menschen von zuhause aus bei ausgebildeten Gesprächspartnern ihre Alltagssorgen von der Seele reden, bei Gedächtnisspielen von Ohr zu Ohr auf andere Gedanken kommen oder richtiggehende Telefonfreundschaften anbahnen können, machen Becker und ihre Mitarbeiter die Erfahrung: „Die Leute müssen sich oft regelrecht überwinden, bis sie sich trauen, zum Hörer zu greifen.“

Der Enkeltrick mal andersherum

Höchste Zeit, dem Problem Alterseinsamkeit mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, findet die Leiterin der Seniorenarbeit. Als Anknüpfungspunkt dient ein unlängst fertiggestellter, bemerkenswerter Studenten-Kurzfilm der Filmakademie, den die Stadt im Scala zeigt und mit einer Podiumsdiskussion verbindet: „Der Greteltrick“ von Regisseurin Milena Aboyan befasst sich just mit der drohenden Leere am Lebensende – sensibel, aber auch mit feinem Humor. „Wir wollten eine Geschichte zeigen, in der jemand mutig ist und über sich hinauswächst“, sagt Produzent Maximilian Becht.

Die alte Gretel Lotz (verkörpert von der Hamburger Charakterdarstellerin Brigitte Janner) kehrt, nachdem ihre letzte Freundin gestorben ist, das Prinzip Enkeltrick um: Sie steht bei einer Familie, deren eigenwilligen kleinen Sohn sie bei der Beerdigung ins Herz schließt, eines Tages einfach vor der Tür und gibt sich als entfernte Verwandte aus. Die nicht ganz lautere Methode ist für Gretel eine Anti-Vereinsamungs-Strategie – die jedoch nicht so ausgeht, wie sie es sich erhofft hat.

Und niemand hat etwas bemerkt

„Je länger wir uns ins das Thema eingearbeitet haben, desto stärker hat es uns beschäftigt“, sagt Maximilian Becht. Mit seinen 26 Jahren ist er persönlich noch weit vom Thema Alterseinsamkeit entfernt. „Aber fast jeder hat doch Verwandte, bei denen er sich schon viel zu lange nicht gemeldet hat, oder Nachbarn, denen man nur kurz im Treppenhaus begegnet, anstatt sich einmal ein bisschen intensiver mit ihnen zu unterhalten“, sagt er. Und dann lese man immer wieder, dass jemand wochenlang tot in seiner Wohnung gelegen habe, und frage sich, warum das niemandem aufgefallen sei.

Selbst China interessiert sich für den Film

Bei ihren Recherchen bei Seniorenräten, Städten, Stiftungen oder in Altersheimen stießen die Studenten auf offene Ohren: „Dass wir uns mit dem Thema Alter beschäftigen, davon waren die Leute sehr angetan“, berichtet Becht. Das schwang bis in die Suche nach Drehorten mit: Dass sie in Kornwestheim ein zum Abbruch bestimmtes Haus fanden, in dem sie Gretels Wohnung nachbauen konnten, lag auch daran, dass der kontaktierte Immobilienmakler selbst gerade eine ältere Verwandte zu Grabe getragen hatte. Und als die Crew ebenfalls in Kornwestheim die Trauerfeier in der dortigen Aussegnungshalle drehte, waren die Ehrenamtlichen vom Friedhofscafé so begeistert von dem Film-Plot, dass sie sich spontan als Statisten anheuern ließen.

Sogar in China stößt der Film auf Interesse: Er wurde jüngst zum Shanghai-Festival eingeladen. Premiere ist aber in Ludwigsburg: Beginn ist am 17. Mai um 15 Uhr im Scala. Es schließt sich eine Podiumsdiskussion an, bei der Vertreter vom Nachbarnetz, von der Stadt, Caritas, Diakonie und Sozialstation mitmischen.