Innenminister Thomas de Maizière warnt vor einem Ansturm von Asylbewerbern. Doch führende CDU-Politiker wollen mehr aufnehmen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Deutschland bleibt von der Gewalt im Nahen Osten nicht verschont. Jenseits der Diskussionen über Waffenhilfe für die Kurden im Nordirak und über die wachsende Terrorgefahr in Europa stellen sich neue Fragen in der Flüchtlingspolitik. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) rechnet mit 200 000 Asylbewerbern im laufenden Jahr – so vielen wie seit anderthalb Jahrzehnten nicht mehr. Die Republik müsse sich deshalb damit auseinandersetzen, „wie viele Flüchtlinge Deutschland auch als reiches Land aufnehmen kann“. Spitzenpolitiker der Bundestagsfraktion von CDU und CSU sind derweil im Norden des Iraks unterwegs und fordern von dort, mehr Flüchtlinge aus der Bürgerkriegsregion aufzunehmen.

 

Die Zahlen sprechen für sich: Bis Ende Juli hatten 97 093 Menschen in Deutschland einen Asylantrag gestellt, gut 60 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres (knapp 60 000). Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 127 023 Asylbewerber registriert. So viele waren es seit Ende der neunziger Jahre nicht mehr. Jeder dritte Flüchtling, der nach Europa kam, stellte seinen Asylantrag in Deutschland. Das Heer der Bewerber wächst von Monat zu Monat. Von Januar bis Juli 2014 kamen allein 16 616 Asylbewerber aus Syrien, weitere 4356 aus dem Irak.

Kauder: Zusätzliche Flüchtlinge aufnehmen

Die Innenminister von Bund und Ländern hatten sich darauf verständigt, insgesamt 10 000 Flüchtlingen aus Syrien in Deutschland Obhut zu gewähren. Volker Kauder, der Chef der Unionsfraktion im Bundestag, hielt sich bis Montag in der Krisenregion auf. Von unterwegs ließ er wissen, er sei der Meinung, „dass wir noch einmal eine Zusage machen müssen, zusätzliche Flüchtlinge aufzunehmen“. Ähnlich äußerte sich Fraktionsvize Andreas Schockenhoff, CDU-Abgeordneter aus Oberschwaben: Deutschland müsse mehr Flüchtlingen aus dem Nordirak Schutz gewähren. Die bisherigen Zusagen reichten nicht aus. „Ich bin klar dafür, das den gegebenen Situationen anzupassen“, sagte der Außenpolitiker.

Minister de Maizière sprach sich vor diesem Hintergrund für eine Debatte über die weitere Aufnahme von Flüchtlingen aus. Er forderte strengere Kontrollen. Flüchtlingsschutz müsse sich auf die „wirklich Hilfsbedürftigen“ beschränken.

Grüne: Nicht Leid gegen Leid aufrechnen

Die große Koalition hatte vor der parlamentarischen Sommerpause eine Verschärfung des Asylrechts beschlossen. Ziel der Novelle ist es vor allem, Menschen aus den westlichen Balkanländern die Flucht nach Deutschland zu erschweren. In der Länderkammer gibt es Widerstand gegen das Vorhaben. Eine Entscheidung steht im September an.

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi wandte sich gegen eine neue Asyldebatte, wie der Innenminister sie angeregt hat. „Ich halte es nicht für besonders glücklich, jetzt darüber zu diskutieren, wie viele Flüchtlinge Deutschland noch aufnehmen kann“, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warnte: „Das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte darf nicht ausgehebelt werden, indem das Leid der einen gegen das Leid der anderen aufgewogen wird.“

Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, im Bundestag Vorsitzender des Innenausschusses, wandte sich ebenso gegen Limits für Flüchtlinge. „Herr de Maizière weiß sicherlich auch, dass viele Städte und Gemeinden bei der Aufnahme mittlerweile an ihren Grenzen angekommen sind“, sagte er. „Aber wenn Menschen um ihr Leben laufen, wenn Menschen um ihr Leben kämpfen, dann muss Deutschland diesen Menschen auch zur Seite stehen.“