Deutschland denkt über die Flüchtlingspolitik nach. Die Bosch-Stiftung hat dazu eine Kommission berufen. Deren Chef Armin Laschet hat in Meßstetten nachgesehen, was man von der Arbeit dort lernen kann.

Meßstetten - Die Flüchtlingsaufnahmestelle des Landes in Meßstetten Beispiel gebend für ganz Deutschland? Vielleicht. Der CDU-Politiker Armin Laschet war jedenfalls beeindruckt bei seinem Besuch auf der Alb. Man spüre, dass „hier viel Herzblut reingesteckt und nicht eine Sache bürokratisch abgearbeitet wird“, kommentierte er die Arbeit der Bediensteten von Regierungspräsidium und Landkreis, aber auch den Einsatz von Ehrenamtlichen.

 

Laschet ist stellvertretender Bundeschef der CDU und war in Nordrhein-Westfalen Integrationsminister. Im Februar hat ihn die Bosch-Stiftung zum Vorsitzenden einer Expertenkommission berufen, die konkrete, bedarfsorientierte Handlungsempfehlungen an die Politik erarbeiten soll. Zu dieser zehnköpfigen Gruppe gehört auch die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD). Sie hat Laschet auf die Zollernalb eingeladen, weil sie findet, dass das Land in der Flüchtlingspolitik weiter ist als andere.

50 Rollstuhlfahrer abgeliefert

Allerdings ist es schwer, Vergleiche zu ziehen, lässt Laschet durchblicken. In den Ballungsräumen Nordrhein-Westfalens geht es anders zu. Laschet erzählt aus Dortmund, wo Schlepper ihre Kundschaft mit dem Bus bis vor die Aufnahmestelle karren und dann schnell abhauen. Einmal seien so auf einen Schlag 50 Rollstuhlfahrer angelandet – eine seltene Herausforderung für die Betreuer der Aufnahmestelle.

In Meßstetten hat man andere Probleme. In den Südländern Bayern und Baden-Württemberg kommen die meisten Flüchtlinge an. Bayern schickt viele direkt weiter auf die Alb. 440 Flüchtlinge hat man dort allein im Mai dem Nachbarland abgenommen, nur 300 kamen aus der eigenen Zentrale in Karlsruhe. Derzeit leben etwas mehr als 1000 Menschen auf dem Gelände. „Wir leiten auch Flüchtlinge weiter,“ sagt die Ministerin. „Aber das dauert und bindet Kapazitäten.“ In Meßstetten nehmen die neun Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge pro Tag etwa 50 Asylanträge entgegen.

Mehr als Unterbringung

Laschet und die Kommission sollen sich aber um mehr kümmern als um Unterbringung und Versorgung der Ankömmlinge. „Wir sollten nicht nur die finanziellen Belastungen und integrationspolitischen Herausforderungen diskutieren“, sagt Laschet, „sondern auch das große Potenzial dieser Menschen für unsere Gesellschaft und für unsere Wirtschaft erkennen.“ Denn: „Wir wissen von vielen Menschen, dass sie hier bleiben werden.“ Da wäre es klug, frühzeitig Brücken zu bauen. „Die qualifizierte Zuwanderung ist gering; bevor man weltweit schaut, könnte man ja in Meßstetten nachfragen, vielleicht ist einer hier.“ Dazu müsse man mit den Leuten sprechen, „um abzuklopfen, was sie können.“ Baden-Württemberg arbeitet daran. Bilkay Öney erinnert an das Programm, mit dessen Hilfe schon in der Erstaufnahmestelle erfasst werden soll, welche beruflichen Qualifikationen und welche Sprachkenntnisse die Ankömmlinge haben. Mehr Personal dafür zu haben, könnte nicht schaden, das lässt auch Laschet erkennen.

Angebote an Minderjährige

Eine besondere Zielgruppe sind die unbegleitet ins Land kommenden minderjährigen Flüchtlinge. Der Landrat des Zollernalbkreises, Günther-Martin Pauli, hat aus seiner unmittelbaren Erfahrung in Meßstetten den Vorschlag entwickelt, für diese Menschengruppe eine Art Internat anzubieten, in dem gezielt Bildung stattfindet. Laschet könnte sich dazu durchaus ein Modellprojekt mit Wirtschaftskammern, dem Land und dem Bundesamt vorstellen.

Pauli verschweigt nicht, dass die Arbeit auch „strapaziös“ sein kann. „Der Alltag birgt Konflikte“, besonders im Sommer, wenn die Tage lang und warm sind, die Flüchtlinge sich in der Stadt im Freien niederlassen, und der Alkohol fließt. Für Meßstetten gibt es einen Streetworker, der Konfliktpotenzial zwischen Flüchtlingen und Bevölkerung identifizieren und entschärfen soll. Auch so ein Modellprojekt.

Im Mai sind 3573 Flüchtlinge im Land angekommenen, etwas mehr als im April und März, aber weniger als beim Spitzenwert vom Februar, wo 3779 Flüchtlinge ins Land kamen. In den ersten fünf Monaten sind somit 17 141 Flüchtlinge aufgenommen worden. Vergangenes Jahr waren es insgesamt 25 673.

Aus Syrien kam mit 694 im Mai die größte Gruppe, vor Albanien (346) und Gambia (337). Aus dem Kosovo kamen nur noch 209 Menschen, nach 2063 im Februar. Dafür kamen mehr Mazedonier und Bosnier, aber auch mehr Afghanen und Iraker.