Die einen fürchten, der Radarturm mitten im Wohngebiet strahle in ihre Häuser. Die anderen wollen ihn aus Naturschutzgründen aber nicht am Alternativstandort Waldrand haben. Zu Besuch bei Leuten, die sich Sorgen um ihre Kinder machen.

Stetten - Die Argumente sind unterschiedlich. Erol Yardim hört „ein richtiges Pfeifen“, wenn der Wind ungünstig steht, außerdem ärgert er sich über flimmernde Schatten, die im Frühjahr über seine Terrasse tanzen. Sein Nachbar Erhan Tepe hat diese Schatten im ganzen Haus, „als wenn jemand das Licht an- und ausmacht“. Jürgen Boos stört, dass 80 Prozent aller Handys keinen Empfang haben. Aber was alle Männer eint, ist dieses ungute Gefühl. Der diffuse Zweifel, wenn sie aus dem Fenster schauen. Zum Radarturm.

 

Das 35 Meter hohe Bauwerk der Deutschen Flugsicherung (DFS) steht seit 1963 am Rand des Bernhäuser Forstes in Stetten und überwacht von dort aus den Luftraum über dem Flughafen. Da die Technik veraltet ist, sucht die DFS seit 2015 nach einer Alternative. Zwei Optionen standen bisher im Raum: einen Neubau im Gebiet Soläcker einige hundert Meter weiter oder ein Interimsturm in den Soläckern, bis der alte an Ort und Stelle saniert ist.

Gegen die erste Option trommelt die Bürgerinitiative „Nein zum neuen Radarturm“ aus Naturschutzgründen. Denn die Gegend am Waldrand ist ein Naherholungsgebiet. So oder so hat die DFS die Soläcker als Dauerstandort aus technischen Gründen wieder verworfen. Die Sanierung im Bestand, also mitten im Wohngebiet, scheint daher die wahrscheinlichste Option zu sein.

90 Unterschriften haben die Anwohner gesammelt

Im Stettener Wohngebiet brodelt es seither. Vor etwa zehn Jahren sind die Familien nach und nach hergezogen. Alle berichten, dass sie vom Bauträger seinerzeit die Information erhalten hätten: Das Ding kommt auf kurz oder lang weg. „Davon will keiner mehr was wissen“, ärgert sich Michael Ungerer. Er hat sich ein Messgerät gekauft, das den Elektrosmog in Mikrowatt pro Quadratmeter misst. Die Strahlung liege im – gesetzlich zulässigen – Millionenbereich, dennoch hat Michael Ungerer sein Haus mit speziellen Tapeten, Wandfarben und metallischen Fliegengittern abgeschirmt. Fatih Karabulut sagt, dass Bekannte sich weigerten, zu Besuch zu kommen. Da ist es wieder, dieses ungute Gefühl. „Wir wissen nicht, ob es genetische Folgen hat für unsere Kinder“, sagt Erhan Tepe. 90 Unterschriften haben er und seine Mitstreiter gegen den Turm gesammelt.

Was viele wütend macht: Die Stadtverwaltung hat vor etwa zwei Jahren im Amtsblatt betont, die Anlage dauerhaft an einem Standort unterbringen zu wollen, „der möglichst weit von Siedlungsbereichen – und somit von den Bürgern der Stadt Leinfelden-Echterdingen – entfernt ist“. „Die Stadt hat etwas versprochen und macht jetzt einen Rückzieher“, moniert Florian Wagner. Der Bürgerinitiative in die Parade fahren wolle man nicht, vielmehr halten die Nachbarn der Verwaltung vor, keine Anstrengungen zu unternehmen, um eine Alternative zu finden. Auch würden die Anwohner-Argumente nicht gewürdigt. Fatih Karabulut spricht von einer „Hinhaltetaktik“, Michael Ungerer vermutet: „Die sitzen es aus. Wenn der Kran erst da ist, ist es vorbei.“

Das Grundstück mit dem Turm gehört dem Flughafen

Eva Noller, die Erste Bürgermeister, will den Vorwurf der Untätigkeit nicht gelten lassen. So seien in der Vergangenheit durchaus andere Grundstücke, etwa nahe dem Theater unter den Kuppeln oder im Bernhäuser Forst, ins Visier genommen worden, aber durchgefallen. Sie hätte die Soläcker favorisiert, betont aber gleichwohl, dass die Stadt nicht Vorhabensträger sei. „Wenn die den Radarturm nicht verlegen wollen, können wir sie nicht zwingen“, sagt sie in Richtung DFS. Das Grundstück, auf dem der Turm steht, gehört dem Flughafen Stuttgart.

Philipp Schwarz, der Leiter des Stadtplanungsamtes, erklärt, dass grundsätzlich die Flugsicherheit eine höhere Gewichtung genießt als die kommunale Planungshoheit, und Untersuchungen hätten eben ergeben, dass der jetzige Standort ideal sei. „Ich kann verstehen, dass sich die Anwohner ein anderes Ergebnis gewünscht hätten“, sagt er. Die DFS hält sich derweil bedeckt. Laut der Sprecherin Kristina Kelek läuft das interne Prüfverfahren noch. Im Mai oder Juni soll ein Erörterungstermin zwischen Stadt und DFS sein. Philipp Schwarz hofft, „dass der Termin Klarheit für uns und die Bürger bringt und die Gerüchteküche in die Schranken weist. Wir wollen auch einen Knopf dranmachen.“